Kann es Gerechtigkeit so pauschal überhaupt geben? Irgend jemand fühlt sich doch immer ungerecht behandelt – um das zu bestätigen, braucht man nur Meinungen zur Vergütung einholen … gerecht bedeutet auch immer zu fragen: ‚Gerecht für wen?‘ Ohne die Perspektive zu ergänzen bleibt Gerechtigkeit nur Geschwafel.
Aber darum geht es heute gar nicht, es ist ja kurz vor der Wahl und da nimmt das Gerede über Gerechtigkeit ja wieder extrem zu – nach der Wahl hört man dann wiederum kaum noch was davon.
Was mich diese Woche ziemlich irritiert hat, ist das Strafmaß gegen G20 Randalierer. Gar keine Frage, da ist nicht schön zu reden, das ist eine Sauerei und gehört bestraft. In dem Fall mit 2 Jahren und sieben Monaten Freiheitsentzug für einen Flaschenwerfer. Mit diesem Urteil muss doch jedes Gerechtigkeitsempfinden eine Ohrfeige bekommen. Wie gesagt, Strafe sollte sein.
Aber man möge sich erinnern, vor nicht allzu langer Zeit sind zwei Raser zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, obwohl bei der vorsätzlichen Raserei Menschenleben zu beklagen waren (eine 19 jährige Radfahrerin wird getötet, ein Täter erhält zwei Jahre, der andere ein Jahr und neun Monate auf Bewährung) . Wie passt das zusammen? Das Urteil wurde zwar inzwischen vom BGH kassiert – unter anderem mit dem Hinweis auf das Rechtsempfinden in der Bevölkerung, aber dennoch: Auf der einen Seite eine vorsätzliche Straftat: der Tod von Unbeteiligten wurde billigend in Kauf genommen. Die Richter urteilen auf Bewährung. Im anderen Fall: Flaschenwerfen mit der Folge von Verletzungen: Freiheitsentzug 2 Jahre und 7 Monate. Wie lässt sich das in einem Rechtsstaat erklären?
Doch wohl nur so, dass der Staat wesentlich empfindlicher reagiert, wenn es um eigene Interessen geht. Dass es eigentlich auch Aufgabe und Pflicht des Staates ist, die eigenen Bürger zu schützen bzw. Strafen entsprechend zu ahnden scheint irgendwie gar nicht mehr selbstverständlich zu sein. So deutlich habe ich es persönlich selten empfunden, dass dem Staat seine Bürger und die Bürgerrecht eigentlich ziemlich egal sind. Aber viel von Gerechtigkeit faseln vor der Wahl, dass können Sie alle gut.