Okt 30

Das Gehalt meines Chefs

Der oberste Chef in meiner Firma – Hr.Löscher – verdient ungefähr das einhundertfache (also 100 mal mehr) von dem was mir die Firma so überweist. Es ist nicht einfach, diese Erkenntnis in mein Weltbild einzuordnen. Zum einen muss man wissen, dass ich mit meinem Gehalt keine Not leide. Zum anderen hilft vielleicht der Vergleich, dass mein CEO für ungefähr zwei Arbeitstagen einen finanziellen ‚Ausgleich‘ bekommt, den ich als Jahresgehalt bezeichne oder anders ausgedrückt: Ich müsste ca. 100 Jahre arbeiten, um das Jahresgehalt meines Ober-Ober-Chefs zu bekommen.
Nun ist es nicht so, dass ich neidisch bin. Ich finde, wenn jemand viel arbeitet und viel zum Erfolg der Firma beiträgt, dann soll er auch richtig viel verdienen. Aber sind diese Dimensionen noch menschlich? Kann man das noch rechtfertigen? Da der CEO erst seit etwas mehr als einem Jahr überhaupt in der Firma arbeitet, kann er also zum Erfolg (oder auch Mißerfolg) noch nicht so richtig viel beigetragen haben. Da können schon Zweifel an der Angemessenheit der Vergütung kommen. Nun muss man die Dimension des Gehalts und die Differenz zu den ’normalen‘ Gehältern schon als göttlich bezeichnen. Noch viel krasser hingegen ist die Entwicklung des Gehalts über die letzten Jahre. Während sich die Gehaltsstruktur im Konzern minimal entwickelt hat, haben sich die Vorstandsbezüge vervierfacht! Vervierfacht! Da kann man nur gratulieren! Mit Erfolg oder dem Beitrag für die Firma kann es wohl kaum zu begründen sein, denn da ist kein Zusammenhang erkennbar.
Kann man an der Differnz der Gehälter ablesen, inwieweit der Chef die Bodenhaftung verloren hat? Weiterhin würde mich interessieren, ob sich Loyalitäts- und Motivationsverluste in der Belegschaft ob solcher Exzesse beziffern lassen.
Ich mag meine Firma und arbeite gern dort. Aber ich schäme mich für einen Chef, der ohne weiteres in das Klischee des raffgierigen Managers passt.

Okt 22

Die Beschleunigungsillusion

Wir haben uns an die Krise gewöhnt. Was früher als Hiobsbotschaft galt, ist heute eine Randnotiz. Die Größenordnungen haben sich verschoben. Heute geht es um Milliarden, um Rettungsaktionen und um Schadensbegrenzung. Nach Jahren des ungebremsten Wachstums erleben wir nun eine Vollbremsung. Was sicher für viele Leute als sehr schmerzhaft empfunden wird, wird sich langfristig als gesunde Korrektur herausstellen.
Rückblickend stellt man fest, dass bestimmte Bereiche der Gesellschaft sich unterschiedlich schnell entwickeln– sowohl im Auf- als auch im Abschwung. Die Obergrenze für Beschleunigung ist durch die Geschwindigkeit des Transfers und der Verarbeitung von Waren, Geld und Informationen limitiert. Informationen können elektronisch übertragen werden – theoretisch mit Lichtgeschwindigkeit. Die Verarbeitung wird durch immer leistungsfähigere Prozessoren übernommen. Ähnlich schnell können monetäre Werte elektronisch verschoben und verarbeitet werden. Interessant ist nun, dass es in beiden Bereichen in jüngster Vergangenheit zu einer Krise kam. Im Jahre 2000 barst die Internetblase und 2008 wurde die Finanz- und Wirtschaftskrise durch den Bankrott von Lehman Brothers ausgelöst. Auffällig ist, dass in beiden Fällen die ‚abgekoppelten‘ Anwender die Krise auslösten. Es wird klar, dass die Aufnahme- und Verarbeitungskapazität des Menschen auch ein nicht zu unterschätzender Begrenzungsfaktor ist. Der Mensch kann nun einmal nur eine begrenzte Menge von Informationen und Fakten verarbeiten, insofern kann man von einer Beschleunigungsillusion sprechen. Ebenso ist die Menge an zu erwirtschaftenden Finanzmitteln limitiert und der Konsum von Produkten hat irgendwo auch eine Grenze. Letztlich ist die reale Welt der wichtigste Indikator und trotz virtueller Beschleunigung der Finanz- und Informationsmärkte kann ein Mensch jeweils immer nur ein Auto fahren, ein Buch lesen und in einen Fernseher schauen. Um mithalten zu können, müsste der beschleunigte Konsument vielmehr einkaufen und vielmehr und viel öfter die Produkte umschlagen, also viel kaufen und viel wegwerfen. Die Abwrackprämie beweist doch, dass photo posted on post-gazette.comdie Wirtschaft zu hoch getaktet ist und nur mit Staatshilfe aufrecht gehalten werden kann. Mehr Gelassenheit würde allen gut tun und obwohl ich mein iPhone inzwischen ganz gerne mag, bewundere ich die Amish in ihrer Lebensweise. Wie man hört, spüren die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft nichts von der aktuellen Krise.