Apr 26

Mein Lieblingsmonat

Würde mich jemand nach meinem Lieblingsmonat fragen, würde ich vermutlich spontan mit „Ganz klar, Mai“ antworten. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto unsicherer werde ich:
„Wieso ausgerechnet  der Mai?“ platzt auch schon der Gedanke, der allem immer auf den Grund gehen will, heraus. „Jeder Monat ist doch tollI, ist es nicht das ganze Jahr schön?“ meldet sich der Gedanke, der ständig auf Harmonie aus ist. „Nein, nein, nein“ entgegnet der Querulant. „Es muß doch möglich sein, den coolsten Monat zu benennen, ich glaube ja, ihr wollt euch nur vor der Entscheidung drücken.“ Jetzt ist richtig Stimmung in der Zentrale. „Aber nach welchen Kriterien sollen wir wählen?“ wirft der Schlaumeier aus dem Hintergrund ein. „Anzahl Tage, Anzahl Sonnenstunden, oder doch die Anzahl der Feiertage pro Monat.“ ereifert sich der Streber aus dem Stammhirn. „Ihr denkt alle viel zu kompliziert.“ schaltet sich der Gedanke mit Nickelbrille aus dem hinteren Kleinhirn ein. Eine kurze Pause entsteht. „Ist es nicht der Frühling, der die Farben ins Jahr bringt, an dem die Vögel ihre Nester bauen, die Tage sind schon länger hell und es ist noch nicht so heiß wie im Sommer. Im Mai fangen die meisten Blumen an zu blühen und die Menschen sind nicht mehr so dick eingemummelt“ bemüht sich der immer vorlaute Gedanke um Schlichtung (und lehnt sich dabei sehr weit aus dem Großhirn)
„Das Jahr erwacht und deshalb sollte der Mai der Lieblingsmonat sein“
Schmollend erwidert der Minigedanke aus dem Thalamus: „Naja, es ist ja eine subjektiv-persönliche Meinungssache, jeder kann ja trotzdem seinen eigen Lieblingsmonat haben.“ Jetzt rollen die meisten mit den Augen.
Und so freue ich mich auf den Mai, und ich sehe noch wie der vorlaute Gedanke den Zeigefinger hebt.

Apr 09

Im Schatten der Planwirtschaft …

Ein Teil meines Lebens war geprägt durch die Planwirtschaft. Ich wuchs in der DDR auf und machte ddr-parolefrühzeitig die Erfahrung der zentral gesteuerten Wirtschaftspolitik und der Begleit-Propaganda. Wenn ich zurückdenke, dann nicht im Groll. Es war anders. Es gab keine Werbung dafür aber Mangelwirtschaft, die Preise waren überall gleich und der Staat war eigentlich chronisch überfordert. Das Interessante war jedoch, dass man beim Lesen der Zeitung und als Empfänger der zentral organisierten Kommunikation ein ganz anderes Bild präsentiert bekam. Glaubte man dem in den Medien gezeichneten Bild, so war das Leben schillernd und der Sozialismus alternativlos und erfolgreich. Der erlebte Alltag und das gezeichnete Bild hatten kaum etwas miteinander zu tun – und alle wussten das und hatten sich damit arrangiert. Man lernte damit zu leben: In der Zeitung wurde z.B. von  den Erfolgen der Partei und den übererfüllten Plänen berichtet. Der Alltag war eine Monokultur und durch Mängel und Langsamkeit geprägt. Es war keineswegs Armut aber eben auch nicht so wie in den Medien dargestellt. War es Propaganda oder Realitätsverlust? Es war nicht ganz klar, vermutlich eine Mischung aus beidem.junge_welt

Das Verblüffende ist nun, daß dieses Phänomen – also die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und der Darstellung – genauso in große Unternehmen (insbesondere mit internationaler Ausrichtung) zu beobachten ist. Zunächst einmal ist bemerkenswert, dass die Unternehmen in ähnlicher Weise organisiert und gesteuert werden wie damals in der zentralistischen Planwirtschaft. Wichtige Entscheidungen werden in zentralen Machtzirkeln entschieden, beide Systeme sind eher Diktaturen als Demokratien und die Strukturen und Machtverhältnisse sind intransparent. pic159eUnd am Auffälligsten ist, dass die Darstellung nach den gleichen Mustern abläuft wie im Sozialismus (ich kann das beurteilen, da ich beides erlebt habe / erlebe): alles ist rosig, fast alles ist vom Erfolg gekrönt und Probleme sind nicht erkennbar (man ist immer ‚gut aufgestellt‘). Auch hier sind die Unterschiede zur Realität enorm groß und es wird wohl auch – wie zuvor schon beschrieben eine Mischung aus Realitätsverlust und Propaganda sein.
Und genau das bereitet mir etwas Sorgen. Ich weiß, was aus der DDR wurde und ich befürchte das die Verleugnung der Realität und die verzerrte Darstellung hier wie dort der Anfang vom Ende ist.