Sep 29

Zielvereinbarungen

Was wären die ‚modernen‘ Organisationen mit ihren ‚modernen‘ Management Praktiken ohne das Instrument der Zielvereinbarung? Sehr hilflos, vermute ich. Die ursprüngliche Idee war damals – vor ca. 100 Jahren – so einfach wie auch genial.
Ausgangspunkt ist zunächst die Feststellung, dass der ordinäre Mitarbeiter ohne Zielvorgabe entweder hilf- bzw. orientierungslos oder wenig engagiert seinem Tagwerk nachgeht. Damit der ‚Wurstelei‘ eine Richtung verliehen werden kann, bedarf es der Zielvorgaben. In der Regel werden die durch die Vorgesetzten festgesetzt, damit bekommt auch die Führung einen Zweck.
Im Industriezeitalter war das eine prima Sache, aber wie ist das in einer Zeit, die angeblich durch Wissen, Wissensvorsprung und Dynamik gekennzeichnet ist?
Sketch 2014-09-25 09_Zielvorgabe_mit CR_kleinIn der Ausgangs-situation ging man davon aus, dass der Vorgesetzte den Überblick sowohl über die Aufgaben und Kompetenzen der Mitarbeiter als auch die Situation und aktuellen Erfordernisse – im Sinne der Organisation – hat. Dieser Anspruch ist kaum erfüllbar, weder damals noch heute und mit zunehmendem Grad an Wissensarbeit in Zukunft immer weniger. Ziele, die über den Vorstellungshorizont des Vorgesetzten hinausgehen, sind so kaum denkbar. Oder anders ausgedrückt: die gegebenen Ziele sind durch den geistigen Horizont des Vorgesetzten begrenzt.
Jede Erneuerung oder Innovation wird so zu einem Akt der Unge-horsamkeit. George Bernard Shaw hatte dazu schon 1903 bemerkt: „Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt vom unvernünftigen Menschen ab.“ (im Drama ‚Mensch und Übermensch‘).

Spinnt man den Gedanken weiter, könnte man mutig schlussfolgern, dass Organisationen, die konsequent über Zielvorgaben gesteuert werden, auf die Beibehaltung des Status-Quo setzen. Alles bleibt beim (messbaren) alten. Erneuerung ist nur insofern vorgesehen, als das es bei der folgenden Zielvorgabe auch als Ziel formuliert werden kann. Fortschritt braucht also einen innovativen Ungehorsam. Lässt den die Organisation nicht zu (oder schränkt den durch Zielvorgaben ein) entsteht das Neue woanders. Aufhalten lässt es sich jedenfalls nur schwer.

Sep 19

Überforderte Elite

Obwohl das Buch von Benedikt Herles die Elite als ‚kaputt‘ bezeichnet, bleibe ich lieber bei ‚überfordert‘.
Viel und ausführlich wurde über das Buch berichtet und ich habe es dennoch nicht gelesen (sollte man es noch lesen, wenn es schon so oft besprochen wurde?). Nicht weil ich die Thesen und Beschreibungen nicht spannend finde, im Gegenteil: bei vielen Punkten bin ich der gleichen Meinung wie Herr Herles . Die Eliten lernen das Falsche und werden zur Überheblichkeit erzogen. Eine ganze Reihe von Fragen kann man sich in dem Zusammenhang stellen: Taugen Business Schools überhaupt als Ausbildungsstätte für junge, kluge Köpfe? Und, was ist das überhaupt: ‚Die Elite‘? Eine selbsternannte Besserwisser-Brigade mit großem Drang zur Abgrenzung? Jedenfalls bin ich immer etwas skeptisch, wenn jemand allzu offensichtlich eine Tendenz zur Elite erkennen lässt. Das Phänomen ist bei Beratern – insbesondere den Strategieberatern – weit verbreitet. Eine Gute Charakterisierung findet man übrigens in einem Film, der beim Bayrischen Rundfunk im Rahmen der Reihe ‚Nachtlinie‘ im Februar diesen Jahres ausgestrahlt wurde (danke Karsten für den Hinweis!).

Ein interessantes Gespräch und insbesondere ab etwa Minute 9:00 – sinngemäß: Auf den Websites der großen Beratungen werden Querdenker gesucht (Metapher Fische, die gegen den Strom schwimmen!), kreativ sollen sie sein usw., Herles meint aber, es ist ‚Blödsinn‘ und es sind alles ‚Lippenbekenntnisse‘. Was man eigentlich sucht sind die ‚Ja und Amen Sager‘, die nicht widersprechen und die davon ausgehen, dass die ‚Oben‘ immer recht haben (‚heads down and deliver‘ Ansatz). Natürlich ist das nicht nur bei Beratungen so, sondern eher weit verbreitet in der Industrie. Und dann kommt die Stelle, die besonders nachdenklich stimmt: Angenommen, die zur Gleichförmigkeit ausgebildeten Eliten, die nie eine eigene Meinung bilden, geschweige denn reflektieren konnten, werden dann – nach Jahren – selber Chef. Dann müssten sie selber gestalten, haben es aber nie gelernt. Mit dem Standard Powerpoint-Excel-Analyse-Baukasten-Vorgehen kann man nun einmal lediglich Verbessern aber nicht Erneuerung. Kommt daher die Überforderung? Oder kann man schlussfolgern, dass die Elite für jede Form der Erneuerung (oder auch Innovation) schlicht nicht zu gebrauchen ist?

Sep 08

Von Längs- und Querdenkern

Ein Artikel im Handelsblatt hat mich diese Woche erst zum nachdenken und dann zum Kopfschütteln gebracht. Titel: „Mehr Platz für Querdenker“ (in der Wochenendausgabe 1./2./3. August S.52/ S.53 oder als Bezahlinhalt online). Ein Lehrer würde sicher der Autorin – Stefani Hergert – attestieren ‚Sie hat sich bemüht!‘. Und tatsächlich ist der Artikel recht nett zu lesen, vorausgesetzt man versteht nichts von Innovationen. Es lässt sich etwa so zusammenfassen: ‚Früher war alles schwierig, heute haben jedoch viele Unternehmen Innovationsmanager und Zentraleinheiten, die kümmern sich um Ideen, Kultur und das ganze drumrum.‘ Natürlich kommen reichlich ‚Experten‘ zu Wort: ‚Heute haben viel mehr Unternehmen als noch vor zehn Jahren spezielle Teams, die sich um Innovationen kümmern.‘ lässt uns Linus Dahlander wissen. Accenture (die Berater, die Innovationen sonst meiden wie der Teufel das Weihwasser) kommt auch zu Wort: „Ein Mangel an Innovationskraft trägt dazu bei, dass Unternehmen gewisse Trends verschlafen.“ Nach dem Lesen der ersten Spalte habe ich schon Ohrensausen. Wie hängen noch mal Innovationskraft und Trends zusammen? Soso, die Fähigkeit, Neues zu erschaffen bzw. der Mangel daran sorgt dafür, dass man externe Entwicklungen (Trends) verschläft. Der Begriff Querdenker kommt außer in der Überschrift sonst im Text nicht mehr vor, statt dessen werden wohl die Innovationsmanager als die Querdenker angesehen. Steile These! Ich kenne einige wenige Querdenker und einige Innovationsmanager, die Schnittmenge ist jedoch NULL. Aber das geht im romantischen Innovations- und Querdenkerbestreben direkt unter.

Ablehnung von Idee_klein„Die eigenen Leute einzubringen, sei wichtiger geworden.“ weiß die Deutsche Bank zu berichten. „In einer Datenbank können Mitarbeiter Vorschläge eingeben, wird eine für gut befunden, gibt es eine Prämie.“ Das klingt zwar wahnsinnig ausgebufft, ist jedoch der Stand der frühen 80er Jahre und seit dem wenig erfolgreich. Den Vogel schießt jedoch die Telekom ab, die mit sogenannten MOOC (sonst aus der universitären Lehre bekannt) die „Megatrends der Zukunft erforschen“ wollen. Wenn es nur so einfach wäre, Technik und Prozesse können in der Regel kaum die Blutleere in den Chefetagen ausgleichen. Bei der Hypo-Vereinsbank hat wohl ein Mitarbeiter mal einen Vorschlag in der Art ‚mehr Englisch im Service‘ eingebracht. Jedenfalls gibt es jetzt ein Innovationsprojekt dazu. Was heutzutage schon als Innovation zählt, war vor 10 Jahren noch Eigeninitiative.
Das Feuerwerk an Innovationen, dass da gerade gezündet wird, ist beeindruckend. Zu den eigentlichen Problemen dringt der Artikel nicht vor. Die Verhinderung von Neuem, Innovativen und Kreativen ist oft reine Machtdemonstration. Das eigentliche Problem ist also nicht, dass Querdenker mehr Platz brauchen sondern mehr Macht!

 

Sep 06

Tag des Kaffees

Heute ist der (internationale?) Tag des Kaffees, Grund genug also, sich dem – wie es immer so schön heisst – ‚liebsten Getränk‘ der Deutschen etwas intensiver zu widmen:
Eine kurze Recherche ergibt, dass der Verband ‚Deutscher Kaffeeverband e.V.‘ die Homepage http://www.tag-des-kaffees.de betreibt (siehe Impressum). Die vielen beworbenen Aktionen lassen tatsächlich Großes vermuten, sogar ein Quiz gibt es hier. Die Bildzeitung ist auch dabei (na klar!), hier werden Cafés (also nicht das Getränk, sondern Lokale) vorgestellt, in denen man wohl besonders angenehm genießen kann.
Ich schlürfe derweil an meiner Lieblingstasse an dem leckeren Trunk und schaue mir das folgende Video an: [mediathek url=“http://www.ardmediathek.de/tv/Quarks-Co/Quarks-und-Co-Deutschland-im-Kaffeerau/WDR-Fernsehen/Video?documentId=16472698″]

Noch mehr als die Tatsache schlechthin, dass Kaffee an sich kein gesundheitliches Risiko darstellt, freut mich, dass es der WDR ist, der mit den Mythen über Kaffee aufräumt (und nicht der Kaffeerösterverband):

Hier noch einmal zusammengefasst:
1. Kaffee entzieht dem Körper Wasser. Stimmt nicht (bei den Wenigtrinkern eine stärkere Reaktion als bei Vieltrinkern)
2. Kaffee macht süchtig. Nicht wirklich (kein Suchtmittel, Kopfschmerzen nach einer Woche weg)
3. Kaffee macht alle Menschen wach. Nicht alle.
4. Kaffee enthält Koffein, Tee enthält Thein. Ein Mythos. Es ist beides identisch.
5. Entkoffeinierter Kaffee schont den Magen. Stimmt nicht, Säuren reizen den Magen, nicht das Koffein.

So, dann schmeckt der Kaffee doch gleich viel besser. Eine tolle Reportage!