Mai 30

Das Sepp Blatter-Syndrom

Blatter ist der alte und neue Präsident der FIFA. Das ist grausam, sollte aber niemand so richtig wundern. Dass jetzt selbst die Politiker davon angewidert sind, irritiert dann doch. Sogar Justizminister Maas plädiert für einen Neuanfang – ohne Blatter. Die Profillosigkeit der Politiker erkennt man immer dann, wenn Forderungen laut werden, die sich ohne Weiteres im Mainstream verorten lassen. Und jeder weiss nun einmal, dass Blatter für Korruption steht und weg muss. Lässt man den politischen Zirkus einmal weg, bleibt Folgendes: Die FIFA ist eine Organisation mit Monopol – der Verwaltung des Fussballs auf der Welt – die die Fähigkeit zur Erneuerung verloren hat. Das fällt nicht weiter auf, es gibt ja keinen Wettbewerb und Fussball wird so oder so gespielt. Die Aufregung verstehe ich insofern nicht ganz, als genau diese Situation in vielen Organisationen und Unternehmen genau so anzutreffen ist. Erneuerung ist weder gewollt noch möglich, da das System so konstruiert wurde, dass jede Erneuerung nur Top-down erfolgen kann. Wenn dann am ‚Top‘ eine Schlafmütze sitzt, passiert eben nichts. Außer: plötzlich entsteht Wettbewerb (wie z.B. bei Karstadt). Schon oft habe ich genau solche Szenarien erlebt: die Mehrheit der Organisation war sich einig, dass der Chef in den meisten Belangen des Chefseins überfordert ist und eigentlich durch eine kompetentere und führungsstärkere Person ersetzt sein sollte. Nur: Organisationen blockieren sich in der Hinsicht selber. Es gibt in den wenigsten Organisationen Mechanismen die schlechte Führung beseitigen wollen. Ja es wird ja kaum bemerkt, zumindest nicht dort wo ein eingreifen möglich wäre. Die Folge ist Mittelmaß, wenn überhaupt. Die Machtspielchen, wie sie jetzt auch bei der FIFA zu beobachten waren (Blatter: ‚Ich vergebe, aber ich vergesse nicht‘; die Androhung von Konsequenzen für die Gegner usw.) könnten so auch 1 zu 1 aus dem Unternehmenskontext entnommen sein.
Damit es nicht zu solchen Stagnationen und Blockaden kommt, sollten Organisationen bei der Gestaltung immer auch Mechanismen der Erneuerung mit betrachten. Fussballtrainer werden bei Erfolglosigkeit relativ schnell gefeuert, was wohl das andere Extrem auf einer imaginären Bandbreite für Erneuerung darstellt.
Also, alle die jetzt vollmundig den Rücktritt von Blatter fordern (damit keine Missverständnisse aufkommen, ich bin weder Fan von Blatter noch von der korrupten FIFA), sollten die Gelegenheit nutzen und ihre eigene Organisation mal kritisch betrachten: „Welche Form der Erneuerung gibt es bei uns?“ und „Können Chefs kritisiert werden ohne Konsequenzen befürchten zu müssen?“ „Wie kritikfähig sind unsere Führungskräfte?“

Lange Gesichter – die meisten Organisationen ähneln wohl überraschend stark der FIFA, eingeschlossen des ‚Pattex-Chefs‘ Sepp Blatter.

Update 02.06.2015:
Sepp Blatter ist zurück getreten. Aus Einsicht? Wohl kaum, aber wenn das Schule macht, würden in nächster Zeit massenhaft Manager zurück treten.

Mai 20

Management Portraits im Vergleich

Mit Interesse verfolge ich die Entwicklung im Management von Unternehmen, deren Lenker und Persönlichkeiten. Natürlich gibt es nicht nur die Glanzzeiten und Feierstimmungen, welche oftmals auf ‚offiziellen‘ Fotos abgebildet sind . Wesentlich spannender als die Pressefotos sind die Augenblicke der Ernüchterung und der Erkenntnis ‚Hoppla, hier ist was schief gelaufen.‘ Wenn man sich die Bilder dann im Vergleich anschaut, kann man einiges über die betrachtete Person erfahren. In der nachfolgenden Tabelle enthält die Spalte ‚Something wrong here‘ die weniger glänzenden Momente. Ich habe sie mir ganz genau angeschaut. Was verraten die Augen, was die Mundwinkel oder die Körperhaltung? Vielleicht täusche ich mich, aber die Mimik verrät in den meisten Fällen vor allem, dass man unzufrieden ist und die Ursachen eher woanders als bei sich selber sucht. Wenn die Lippen so zusammen gepresst werden, spürt man förmlich die Mischung aus Unmut, Selbstgefälligkeit und Trotz. Manchmal ist auch etwas Ratlosigkeit (z.B. Heide Simones nach der missglückten Wiederwahl) dabei, aber Selbstzweifel sind weit und breit nicht erkennbar. Das finde ich bemerkenswert. Es ist gar nicht mal so sehr der Grund für den Unmut oder ob es gerechtfertigt ist oder nicht was mich so fesselt, sondern einfach die Mimik. Ich bin davon fasziniert, was die Portraits von ein und der selben Person in zwei verschiedenen Situationen verraten kann, was wahrscheinlich sogar verborgen bleiben sollte.

Management Portraits:

‚The sky is the limit‘ ‚Something wrong here‘
File photo of Fitschen Co-CEO of Deutsche Bank Jürgen Fitschen,
CEO Deutsche Bank
Juergen Fitschen Attends Ruhr Initiative Congress
silvio-berlusconi-2-540x304Silvio Berlusconi,
Ex-Premier von Italien
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Wölbern-Invest-owner-Heinrich-Maria-Schulte-Source-Arnold-Morascher-for-Handelsblatt schulte-540x304
Heinrich Maria Schulte,
Ex-Wölbern Invest Chef
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Thomas Middelhof,
Ex- Arcandor-Chef
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Kaeser_Joesf300dpi-AufmacherJoe Kaeser,
CEO Siemens
joe-kaeser-108~_v-img__16__9__l_-1dc0e8f74459dd04c91a0d45af4972b9069f1135Ein möglicher Grund könnte hier zu finden sein:
‚Der Mann, der Josef Käser über den Tisch zog.‘
(Bilanz Magazin Mai 2015, S.26)
11527620 Uni Bayreuth prueft Plagiatsvorwuerfe gegen zu GuttenbergKarl-Theodor zu Guttenberg,
Ex-Verteidigungsminister
_41368874_apotheker203afpLeo Apotheker,
Ex-HP/SAP-Chef
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simonis_heide_spd.jpg;jsessionid=EF502588B726867DD580C0A134D198BBHeide Simonis,
Ex-Ministerpräsidentin Schleswig-Holstein
2010-03-17-simonis
Blatter0901_468x337 Joseph-Blatter Joseph Blatter, FIFA Präsident
Fotos: Handelsblatt, FAZ, SZ, WiWo, Welt, Abendblatt

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Wow, selbst als US-Geheimdienstchef gibt es wohl Grund für Ärgernisse – in dem Fall über den BND.
Freunde werden die sicher nicht mehr, aber es ist ja auch eine Frechheit, wenn die Krauts nicht mehr das machen wollen, was der mächtigste Spionage-Boss will, „Alles Flaschen!“

Mai 05

Täglicher Streikbericht

Kommt es mir nur so vor, oder ist es tatsächlich so, dass die Streiklaune in Deutschland deutlich zugenommen hat? Täglich neue Meldungen: Deutsche Bahn (ok, seit 10 Monaten erfolglose Verhandlung macht nervös), Postbank, Sicherheitsdienste (in Berlin wird das Bargeld knapp!), Krankenhaus und nun auch Kindergärten und weitere (Piloten pausieren grad, jedoch kaum aus Einsicht).
Natürlich haben Streiks Auswirkungen auf das tägliche Leben. Das ist ja genau die Idee vom Streik, ohne Auswirkungen wären sie sinnlos. Das kann man gut finden oder nicht (gerade wenn man betroffen ist).
Nun kann man sich fragen ‚Warum auf einmal so viele Streiks?‘ Man kann nur spekulieren. Kann es sein, dass viele das Gefühl haben, dass der Wohlstandszuwachs ungleich verteilt wird? Täglich kann man lesen: Schäuble kann mit höheren Steuereinnahmen rechnen.  Was macht der eigentlich mit dem Geld? Ich glaube, bei detaillierterer Erklärung bzgl. des Verbleibs wären die Begehrlichkeiten seitens der Steuerzahler geringer und die Streiktendenz eventuell weniger ausgeprägt. Ist nur so eine Idee.

Beim Bahnstreik kann man beobachten wie blank die Nerven liegen. Beim Namen Weselsky steigt in Deutschland der gesellschaftliche Blutdruck. Sogar die SPD vergisst ihre Ideale. Frau Nahles plant das Tarifeinheitsgesetz. Da reibt man sich die Augen, war nicht die SPD bisher das Sprachrohr der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Interessen? Aber offensichtlich wittert die SPD nun Kontrollverlust. Interessenvertretung geht eben nur so weit, wie es die SPD gut findet.
Sehr seltsam ist das alles. Ich bin auch oft von Streiks betroffen (vor allem Bahn!) und sicher nicht immer einverstanden mit den Streikwilligen. Was ich aber immer geschätzt habe, ist die Tarifautonomie – also die Ansicht, das die Tarifparteien sich da irgendwie einigen müssen. Und zwar egal wie und das muss man eben auch mal aushalten. Wenn sich Nahles nun jedoch durchsetzt, ist es damit vorbei. Dann gibt es nur noch Kuschelstreiks, also welche, die nicht weh tun. Aber halt, geht damit nicht die Wirksamkeit des Streiks verloren? Ausgerechnet die SPD, die sich doch immer als Aushängeschild der Arbeiterklasse sah. Verkehrte Welt irgendwie, aber bei der SPD wundert man sich ja kaum noch über was.