Eine zeitlang war ich großer Fan von Industrie 4.0 und Digitalisierung. Aus Überzeugung! Weil ich den technischen Fortschritt mag und ich mich viel mit Innovationen beschäftige (und lehre). Die Erwartungen sind ja auch enorm, es wird ja schon von Revolution gesprochen (und spätestens dann sollte man dem mit etwas Skepsis begegnen.) Arbeitsplatz der Zukunft:
Und manchmal kommen mir dann auch richtig konkret Zweifel. Irgendwas läuft schief. Mein Gefühl geht in die Richtung, dass es andere ‚Baustellen‘ gibt, die eigentlich viel mehr Aufmerksamkeit und Beachtung bräuchten als die Optimierung der Produktion.
Ein Beispiel aus der Realwelt: Ich habe für meinen Drucker Tintenpatronen bestellt (wohlgemerkt: August 2016). Das mag nichts Besonderes sein. Man recherchiert etwas und bestellt dann – in dem Fall bei Amazon. Auftragswert: 15 Euro und da es etwas dringend ist, lasse ich mich darauf ein, die Prime-Mitgliedschaft zu testen. Die Tinte – so wird zugesichert – sei dann am nächsten Tag da. Das war aber vor einer Woche. Seit dem schickt mir Amazon täglich eine email, dass der Versender UPS Probleme mit der Zustellung hat, da die Adresse nicht ausfindig gemacht werden kann. Das ist insofern seltsam, als ich hier schon länger wohne und bisher alle Zusteller – ob DHL, Hermes, DPD oder was auch immer – immer erfolgreich beim Abliefern waren. Als Hinweis bekomme ich noch den Rat, mich mit UPS in Verbindung zu setzen. Ein Blick auf die Homepage offenbart, dass man sich das nicht freiwillig antun möchte. Man soll einen Account anlegen (My UPS … ). Will ich das? Wieso habe ich jetzt die Arbeit, wenn UPS offenbar unfähig ist? Sehr seltsames Verhalten und mir schwant langsam, dass Industrie 4.0 nicht die Lösung ist. Aber es geht noch weiter … Da ich keine Lust hatte auf Stammkundschaft bei UPS kontaktierte ich die Firma über Facebook. Dort wird geworben mit einer Reaktion auf eine Anfrage innerhalb 3 Minuten. Tatsächlich bekam ich recht schnell eine Antwort – und das Problem wurde rasch heraus gearbeitet: Am Klingelschild steht mein Name ohne ‚Dr.‘ – bei der Adressangabe jedoch mit ‚Dr.‘. Ich habe erst gedacht es sei ein Witz, aber nein, das sei das Problem. Na gut, der Fehler war gefunden, jetzt konnte UPS ja – am nächsten Tag – liefern. Zufällig sah ich am nächsten Tag das UPS-Auto vor der Tür stehen, der Fahrer stieg jedoch nicht aus. Später bekam ich dann wieder die Standard-Email von Amazon, UPS kann die Lieferung nicht zustellen, da die Adresse nicht gefunden werden kann. An dem Punkt möchte man dann fast verzweifeln. Woran liegt es, dass einfachste kognitive Aufgaben nicht erledigt werden können? Liegt es am Fahrer? Liegt es an der Organisation? Würde hier Industrie 4.0 oder eine andere Form der Digitalisierung helfen? Ich bezweifele es sehr und denke, Defizite bei den Grundlagen des Miteinander können niemals durch Algorithmen ausgeglichen werden. Wer auf die Deutsche Bahn angewiesen ist, wird das sicher auch bestätigen können. Hier nochmal die Vision Industrie 4.0:
Vielleicht ist sogar fast die ganze Logistik digitalisiert und ist wahnsinnig effizient. Nur auf dem letzten Meter scheitert der Mensch! Das neue digital ist analog.
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