Veröffentlichungen

Innovationen: Das Neueste aus Presse und Veröffentlichungen

August 2016:

Artikel ‚Wort folgt Tat. Von der Schwierigkeit, Innovationen praktisch umzusetzen‚ in
return. Magazin für Unternehmensführung und Sanierung

Auszug:

Von der Schwierigkeit, Innovationen praktisch umzusetzen.

Selten sind Organisationen so schlau und fähig wie die Summe der beteiligten Akteure. Und genau das macht sie so spannend. Es ist ähnlich wie beim Fußball: England hat zwar die besseren Einzelspieler, aber Island gewinnt. Was ist der Grund, und warum kann die exakt gleiche Idee in der einen Organisation eine Revolution bewirken, während sie in einer anderen als Generve abgetan wird?

schwerpunkt_pilkahn2Teamwork zwischen Mensch und Roboter hier mit dem „LBR Iowa“. Foto: KUKA Aktiengesellschaft

Vor einiger Zeit war ich Berater eines großen Herstellers von Hausgeräten. Es ging um den Haushalt, vor allem um dessen Zukunft. Das war 2005, Kaffeefiltermaschinen waren das Maß der Dinge. Kaffeevollautomaten, die Kaffee aus frisch gemahlenen Bohnen brühen, gab es damals nur in Bars und Restaurants. In dem Workshop kam nun die Idee auf, einen Kaffeeautomaten für den Privathaushalt zu entwickeln. Die Workshop-Teilnehmer waren begeistert – das wäre eine echte Innovation. Aber das Projekt wurde nicht angepackt. Ein Jahr später kam ein Konkurrent, die Firma Saeco, mit so einer Maschine auf den Markt. Und wurde Weltmarktführer. Warum hat es bei der einen Firma gezündet und bei der anderen nicht? Grundbausteine der Veränderung sind Wort und Tat. Die Zukunftsforschung ist per se Wort: Es geht um Gedanken, Visionen, Pläne. Erst wenn ich diese umsetze, materialisieren sie sich, ermöglichen ein Ergebnis. Aber der Übergang zum Handeln ist schwierig. Oft liegt in der Praxis viel zu sehr der Schwerpunkt auf dem Wort: Paralyse durch Analyse. Man begutachtet und bewertet das Geschriebene. Aber es passiert – nichts.

Wer passiv bleibt, muss sich mit dem abfinden, was geschieht. Wer sich hingegen nicht gern überraschen lässt, muss selbst die Initiative ergreifen. Allerdings geht, wenn man die Zukunftsforschung abgeschlossen hat, die Arbeit erst richtig los. Das vergessen die meisten. Handlungsdruck ist erst da, wenn es ein Problem gibt. Deshalb ist Lernen vor der Krise viel schwieriger als nach der Krise. Im Unternehmen kann Zukunftsforschung in verschiedenen Bereichen zu Ergebnissen führen. Am einfachsten funktioniert es im Marketing: Da werden grandiose Präsentationen angefertigt, womöglich wird eigens ein Künstler angeheuert. Man geht damit auf eine Messe oder auf eine Konferenz, die Kunden sind beeindruckt, manchmal wollen sie die Vision auch gleich kaufen, was unbequem ist, weil man dann eingestehen muss, dass es das so noch nicht gibt.

Ideen entstehen automatisch

Der zweite Bereich ist Innovation. Wenn man über Zukunft nachdenkt, entstehen automatisch Ideen. An die muss dann aber im Unternehmen jemand glauben. Bei dem Hausgerätehersteller, den ich eingangs beschrieb, konnte sich der Chef des Unternehmens nicht vorstellen, dass es für diesen Kaffeeautomaten einen Markt geben könnte. Also ist die Idee gestorben. Alle Zukunftsforschung bringt nichts, wenn es im Unternehmen keine Leute gibt, die an eine Vision glauben und über die erforderlichen Ressourcen verfügen.

schwerpunkt_pilkahn1Künstliche Ameisen zeigen, wie sie kommunizieren und als vernetztes Gesamtsystem komplexe Aufgaben lösen. Foto: Festo AG & Co. KG

Siemens entwickelte 2001 das „SimPad“. Das ist in Vergessenheit geraten. Aber alle kennen das iPad, das 2010 auf den Markt kam. Von Kleinigkeiten abgesehen, kam Siemens also neun Jahre früher auf die gleiche Idee, trotzdem wurde es ein Flop. Warum? Weil das Management nur halbherzig an das SimPad-Projekt glaubte, was sich unter anderem im geringen Budget ausdrückte. Wer innerhalb einer großen Organisation etwas Neues wagen will, muss um Ressourcen kämpfen, um Freiräume, um Mitarbeiter. Diese Verhandlung raubt Unternehmen unendlich viel Kraft. In kleinen Unternehmen sind die Wege kürzer. Wenn es einem Mitarbeiter gelingt, den Chef von einer Vision zu überzeugen, oder wenn es der Chef selbst ist, der die Impulse gibt, kann das ähnlich produktiv sein wie bei Apple. Steve Jobs musste sich nicht arrangieren. Er musste auch zu niemandem nett sein, um sich ein Budget für sein Projekt zu sichern. Die Frage ist doch, wie Innovationen entstehen. Ein Weg ist, dass jemand regelrecht besessen ist von einer Idee. Das sind die Gutenbergs, Edisons und Jobs dieser Welt. Der andere Weg ist der systematische: Innovations-, Ideen- und Kreativitätsmanagement. Es gibt Handbücher und Pläne, wie man es angeblich zu machen hat, aber die Erfolge sind dürftig. Siemens Healthcare hat einmal im eigenen Haus untersucht, wie Neuheiten entstehen. Vor allem weil es Tüftler und Querdenker gab, bei deren Arbeit die Innovation sozusagen als Nebenprodukt anfiel. Und das ist die dritte Komponente der Innovation: der Zufall. Er hat bei vielen bahnbrechenden Entwicklungen eine Rolle gespielt, sei es bei der Entdeckung des Penizillins oder der Entwicklung von Teflon.

Wie geht das? Dem Zufall eine Chance geben? Google zum Beispiel lenkt 70 Prozent seiner Forschungs- und Entwicklungsausgaben in die Suchmaschine, das ist ihre Cashcow.

20 Prozent gehen in Randbereiche wie Google Docs, die Traffic generieren. Aber zehn Prozent gehen in Aktivitäten, bei denen die Manager Neuland betreten. Da wollen sie lernen. Diese Haltung fehlt vielen Unternehmen. (…)
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Juni 2016:

Artikel ‚Planen vs. Macher‚ im Philosophie-Magazin ‚Fatum‘

Planen versus Machen. Wie das Maker-Space Planer und Macher zusammenbringt

Auszug:

Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort!
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

– Johann Wolfgang Goethe, Faust: Eine Tragödie

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Januar 2016:

Das Buch ‚Trends und Szenarien als Werkzeuge zur Strategieentwicklung‚ ist im Buchhandel leider vergriffen. Da der Preis für eine Kopie inzwischen 4-stellige Werte erreicht hat, erreichen mich immer wieder Anfragen hinsichtlich des Kaufs eines Exemplars direkt bei mir. Hier der Hinweis:
Ich kann Ihnen kein Exemplar verkaufen oder schenken. Eine Möglichkeit wäre über Bibliotheken sich ein Exemplar auszuleihen oder ab und zu eines der angebotenen gebrauchten Exemplare zu erwerben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, es sich als ebook zu besorgen – z.B. bei buecher.de, bol.de oder thalia.de.

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September 2015

veröffentlicht in Unternehmen Region 3 / 2015:
Dem Innovationsmanagement auf den Zahn gefühlt

Warum der Weg zur Innovation an eine Wurzelbehandlung erinnert. Ein Essay von Ulf Pillkahn

Wie innovativ ist Ihr Unternehmen?“ Die Frage stelle ich sehr oft – Studenten, Führungskräften und Mitarbeitern großer und kleiner Unternehmen. Die meisten schauen dann, als hätten sie Zahnschmerzen, jedenfalls löst die Frage oft Unbehagen aus. Das ist gut und ich bleibe dran. Die Reaktionen der Befragten kann man in etwa so zusammenfassen: Für die meisten liegen die Darstellung des Innovationsverhaltens in den Hochglanzbroschüren der Unternehmenskommunikation und die gelebte Innovationspraxis quasi diametral auseinan­ der. Vielen ist das zwar bewusst, aber genauso viele scheinen sich damit abgefunden zu haben. Resignation macht sich breit. Wenn man es wirklich ernst meinen würde mit den Innovationen, würde man doch etwas ändern, oder nicht? Im Prinzip schon, aber: WAS könnte/sollte man denn ändern? WER sollte das machen? Und vor allem: WIE sollte es denn angepackt werden?

Der schwere Weg des Kariespatienten

Zunächst ist die Einsicht, dass man ein Problem hat und unbe­ dingt etwas ändern muss, ein guter – aber auch zwingend nötiger erster Schritt – so ähnlich wie bei einem Kariespatienten. Und danach wird es nicht einfacher, denn: Alle lieben erfolgreiche Innovationen, aber nur wenige wollen sich mit der Ungewiss­heit auseinandersetzen und das Risiko des Misserfolges tragen (Karriere und so …). Man kann da viele Fehlentwicklungen beobachten: Einerseits sind Firmen häufig bereit, Unsummen in den Kauf anderer Unternehmen zu investieren, um fehlen­ de Innovationen auszugleichen (jedoch oft recht erfolglos). Andererseits kann man auch beobachten, dass enorme krea­tive Anstrengungen unternommen werden, um tatsächliche Innovationen – gerade im Umweltbereich – zu verhindern oder zu umgehen. Dies zeigt, wie schwer sich Unternehmen mit dem Thema Innovationen tun. Im Fußball sagt man: „Geld schießt keine Tore“, und bei Innovationen ist es ähnlich: Man braucht für richtige Innovationen viel mehr als nur Geld. Man braucht noch Ideen und irgendwie eine Vorstellung, wie man aus den vielen Ideen zu erfolgreichen Innovationen kommt. Und das gleicht dann eher einer Wurzelbehandlung denn einer kosme­tischen Aufhübschung.

Das Potenzial (!!!) zur Verbesserung ist da und es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Steigerung der Innovationskraft (und es ist nicht so, dass es dazu keine Literatur gäbe!). Beginnen wir mit der Entstehung von Ideen und Innovationen:

Man kann drei bedeutsame Prinzipien nach dem Verständnis unterscheiden: rational­systematisch, emotional­leidenschaft­ lich oder zufällig­evolutionär. Die Innovationskraft einer Organisation hängt entscheidend davon ab, wie hoch die jewei­ ligen Anteile vertreten sind. Diese Struktur prägt die Philosophie des Unternehmens und die Einstellung zur Innovation. Jeder der drei verfolgten Ansätze kann zu (erfolgreichen) Innovationen führen. Am vielversprechendsten ist jedoch, wenn man bei den Innovationsbemühungen keinen der Wege ausschließt bzw. alle vorantreibt. Das Schema in der Abbildung zeigt zwei idealtypi­ sche Strukturen:

Links im Bild ist eine Monokultur zu erkennen, die fast aus­ schließlich systematisch praktizierende Organisation. Als Kontrast dazu rechts im Bild eine Struktur, die Vielfalt ver­ spricht. Aber schauen wir uns die drei Ansätze etwas genauer an:

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Quelle: © eigene Darstellung

Eine innovationsfreundliche Organisation generiert Innovationen auf verschiedenen Wegen (rechts im Bild). Links ist die Struktur des typischen Innovationsmanagement-Ansatzes: sehr systematisch vorgehend –
aber im Ergebnis maximal Mittelmaß

Zufällig-evolutionär

Der Zufall spielt bei Innovationen eine viel größere Rolle, als sich viele Betroffene eingestehen wollen – Stichwort Penicillin, eine bahnbrechende Innovation, die durch eine Zufallsentdeckung im Laborbetrieb entstand. Eine „Außenansicht“ dazu wurde bereits in „Unternehmen Region“, Ausgabe 1/2013, veröffent­ licht. Ausführlich kann man das auch in „Die Weisheit der Roulettekugel“ nachlesen.

Rational-systematisch

Das ist die Lieblingsdisziplin der Manager, besonders in Deutschland. Ideenlosigkeit wird durch noch mehr Systematik ausgeglichen. Entscheidungen werden streng rational getroffen. Leider wird das Vorgehen überschätzt. Neues und Unbekanntes lässt sich kaum oder gar nicht rational beurteilen – oder nur, wenn man Ungewissheit mit Risiko verwechselt. In dem Glauben, nichts dem Zufall überlassen zu können, werden Innovationen besonders in großen Organisationen wahnsinnig systema­ tisch verfolgt. Das ist wie ein Re ex: „Wir wissen nicht genau, wo es lang geht, aber wir machen das streng systematisch.“ Innovationsmanagementsystem heißt das Zauberwort. Was so wahninnig rational klingt, ist in Wahrheit nur ein Strohhalm.
In der stillschweigenden Annahme der möglichen Einfluss­ nahme und der Macht der Entscheidung, geben sich viele Inno­ vationsmanager einer Illusion hin: Mit entsprechender Systematik und den richtigen Werkzeugen lasse sich der Prozess lenken und könne man Innovationen erzwingen. Es lassen sich jedoch kaum Beweise für den Erfolg dieses Vorgehens nden. Vielmehr kann man sagen, Innovationsmanagementsysteme fördern lediglich inkrementelle Innovationen (also solche mit einer geringen Differenz zum Status quo) und blockieren radikale Innovationen – sie ltern quasi Durch­ bruch­Innovationen (diejenigen, die Ver­ halten der Nutzer und Geschäftsmodelle radikal verändern) aus dem System. Das reicht jedoch maximal zum Mittelmaß. Und wenn sich ein Unternehmen damit zufriedengibt, dann ist das in Ordnung. Aber so wie Zähneputzen nicht ausreicht, um eine Zahnlücke zu schließen, reichen inkrementelle Inno­vationen kaum, um wirkliche Wettbewerbsvorteile zu erschlie­ßen. Damit ergibt sich die Frage: Wie kann man die Inno­vationsträgheit in einem Unternehmen überwinden und wie kommt das Neue, das Radikale in die Organisation? Zum Beispiel mit Leidenschaft:

Emotional-leidenschaftlich

Leidenschaft wird dagegen ziemlich unterschätzt. Obwohl spä­ testens seit Steve Jobs und Elon Musk und ihren Beiträgen für ihre Firmen die Bedeutung klar sein sollte. Zum einen natürlich beim Wecken neuer Bedürfnisse und zum anderen werden Unsicherheiten und Ungewissheiten eher visionär­optimistisch überwunden. Wenn man einmal das Leuchten in den Augen eines Er nders gesehen hat, versteht man, was ich meine. Organisationen können mit Leidenschaft oft nichts anfangen, da gilt schon eine bunte Krawatte als Ausbund an Kreativität. Im Vergleich dazu ist man bei Start­ups der Meinung, dass man die Kontrolle über sein Leben verloren hat, wenn man Krawatte trägt.
Das Erstaunliche ist, dass radikale Erneuerungen oft durch Branchenfremde angestoßen (der erste Web­Browser kam nicht von Microsoft, WhatsApp wurde nicht von der Telekom etab­ liert, der MP3­Player nicht von Sony erfunden und die Internet­ Infrastruktur nicht von Siemens etc.) werden. Man kann also schlussfolgern, dass der allgemeine technische Fortschritt immer statt ndet, unabhängig davon, wie innovativ das eigene Unternehmen agiert. Man kann ziemlich sicher sein, dass sich irgendwo auf der Welt jemand gerade in diesem Moment inno­vative Gedanken macht, die morgen eine Bedrohung für die eigene Organisation seien könnten.
Emotionen und Leidenschaft kann man allerdings nicht messen, und das ist schlecht für die Innovationscontroller die­ ser Welt. Aber glauben Sie mir: Passion ist für radikale Innovationen wichtiger als das Einhalten von Kennzahlen. Weniger Planung und Controlling sowie mehr Leidenschaft bewirken (Innovations­) Wunder. –

Wirkliche Innovationen tun richtig weh

Auf Dauer helfen Schmerzmittel bei Zahnschmerzen nicht. Ist die Schmerzgrenze erreicht, emp ehlt sich ein Besuch beim Zahnarzt. Beim Innovationsmanagement scheint die Schmerzgrenze noch lange nicht erreicht zu sein. (Zu)Viel Systematik und viele bunte Broschüren scheinen im Moment noch zu wirken. Mit den weiter oben angesprochenen Änderungen am System Innovation könnte man sicher schon eine Menge Staub aufwirbeln im Innovationsarchiv.
Darüber hinaus helfen grundlegende Einsichten beim Verständ­ nis von Innovationen. Man sollte einige Sachen akzeptieren, um das Vorgehen sinnvoll ändern zu können:

  1. Erfolgreiche Innovationen sind lediglich zu einem geringen Teil planbar.
  2. Für den Weg von der Idee zur Innovation gibt es nicht den einen Masterplan.
  3. Soziale Aspekte in der Organisation sind für den Erfolg von Innovationen genauso von Bedeutung wie die technischen Belange.
  4. Wirkliche Innovationen tun normalerweise richtig weh (vergleichbar mit einer OP am Weisheitszahn!). Das bedeu­ tet Veränderung, Diskussion, Machtspiel, das Aushalten von Unsicherheit – und noch vieles mehr. Kann man ein Vorhaben gut planen und tut es niemandem weh, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Trivial­ oder Alibi­Innovation.
  5. Wer keine Fehler macht, ist nicht innovativ genug! Experi­ mentieren Sie, das Neue lässt sich niemals durch PowerPoint erfahren.

Und für alles braucht man viel Geduld – wie beim Zähneputzen!

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Mai 2014:
Buchbesprechung in ‚Die Bank‚:
Buchtipp: Die Weisheit der Roulettekugel

Innovationen entstehen entweder durch Zufall, wie die Entdeckung des Penicillins, oder durch grundlegende Ideen, die unermüdlich verfolgt werden. Aber warum fällt es Unternehmen oft so schwer, Neuerungen durchzusetzen? Warum tun viele alles, um in der Komfortzone zu bleiben, statt diese ab und an zu verlassen?

Der Autor beschreibt hier, warum das Verharren in der Bequemlichkeit fatal sein kann und wie ein Ausbruch aus den alten Gewohnheiten am besten gelingen kann. Rahmenbedingungen wie „Freiräume für Ideen und Kreativität“ können laut Pillkahn die Innovationsfreude eines Unternehmens positiv beeinflussen. Er fordert deshalb, die Unternehmen sollten mehr „Zeit, Geduld und Schutz vor Bürokraten und Controllern“ für die kreativen Köpfe aufbringen. Wer sich Innovationen ausdenke und zur Reife bringe, brauche Schutz vor „Nichtwissenden“ – auch die Entwicklung des Post-Its bei 3M habe schließlich zehn Jahre gebraucht. Der studierte Informationstechniker, bei Siemens zuständig für Zukunftsfragen, berichtet beispielsweise vom Scheitern des Münchener Konzerns auf dem Handymarkt. Den Beginn des Mobilfunk-Booms hatte man erst verschlafen und sich schließlich mit der Rolle als Markt-Verfolger zufriedengegeben. Und während andere Anbieter keine Investitionen scheuten, um beispielsweise eingebaute Kameras oder MP3-Player durchzusetzen, baute Siemens zwar herstellungstechnisch effiziente, aber grundsätzlich falsche Handys und häufte so einen Verlust von einer Mio € pro Tag an.

Weitere Fallstudien listen etwa falsche Weichenstellungen bei Microsoft oder Polaroid auf. Ulf Pillkahn, der an der LMU in Psychologie promoviert hat, sieht sich selbst als unbequemen Innovationstreiber und schätzt einen ständigen Zustand innerer Unruhe als Impulsgeber. Er zeigt auf, dass mutigere oder schnellere Wege oft zu deutlich besseren Ergebnissen führen können. Mit seinen Lesern spielt er ein „Innovationsroulette“, bei dem es darum geht, bereits am Ziel zu sein, wenn die Kugel fällt, während die Mitbewerber noch Ideen generieren. Sein Ansatz zum Innovationsmanagement ist illustriert mit zahlreichen handzeichneten (sic!) Darstellungen, was dem Buch einen gewissen Charme verleiht.

Ulf Pillkahn, Publicis Publishing Erlangen 2013, 293 S., 34,90 €, ISBN 978-3-89578-393-7.

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April 2014:
AundD Presse
… wieder eine Buchbesprechung in der A&D 4/2014.
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Januar 2014:
Innovation Koma – und wie man es vermeiden kann:
   Der Film zum Buch …
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Oktober 2013:
‚Die Weisheit der Roulettekugel: Innovation durch Irritation‘
(Publicis Verlag 2013)
BuchbeschreibungIns Buch reinschauen lässt sich schon bei Google: Schnupperseiten
Oder man kann es hier bestellen:
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März 2013:
‚Innovations-Roulette: Die Evolution als Vorbild für das Innovationsmanagement‘

(Unternehmen Region Ausgabe 01/2013)

Eine Außenansicht von Ulf Pillkahn
Es ist verdammt schwer, Innovationen gezielt zu realisieren – und es wird trotz­ dem in der Regel von den Beteiligten immer unterschätzt. Oftmals sind es die Innovationsmanager, die mit der Aufgabe betraut sind und das Thema Innovationen vorantreiben sollen. Was die Innovationsmanager unterscheidet, sind die Qualifikationen – die es so nicht gibt. Während man für eine Herz­OP einen Spezialisten erwartet, fühlt sich beim Thema Innovationen irgendwie jeder berufen, der schon mal einen Schraubenzieher in der Hand hatte. Was die Innovationsmanager jedoch eint, ist der Wunsch, die Innovationskraft­ und ­fähigkeit der Unternehmen, für die sie tätig sind, zu stärken.

Drei Erfolgsmuster für erfolgreiche Innovationen
Und an diesem Bemühen scheiden sich die Geister. Der for­schungsintensive Aktionismus führt kaum zu Erkenntnissen. Dabei könnte ein Blick zurück helfen: Nicht erst seit Schumpeters Prägung der ‚schöpferischen Zerstörung‘ gelten Innovationen als Motor des technischen Fortschritts – und es lassen sich drei Erfolgsmuster erkennen:
1. Besessenheit: Exemplarisch hierfür sind Thomas Alfa Edison und Steve Jobs.
2. Zufall: Die bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts basieren auf Zufall, etwa die Entdeckung des Penicillins durch Flemming, der Röntgenstrahlung durch Röntgen und sogar das Internet.
3.Systematik: Hierzu zählen die Entwicklung des Flachbild­schirms und der GPS­-Navigationsgeräte.
Das Interessante ist nun, dass wohl die meisten Unternehmen am vehementesten den systematischen Ansatz verfolgen. Untersu­chungen zeigen jedoch eindeutig, dass die Prozesse, welche der Innovationssystematik zugrunde liegen, vor allem Innovationen in kleineren Schritten fördern und radikale Innovationen verhin­dern. Das führt dazu, dass mittelmäßige Innovationssystematiken mit mittelmäßigen Innovationsmanagern im Innovationswettbe­werb mit Besessenen stehen. Das Besondere an denen ist, dass sie eine Idee verfolgen ohne die hemmenden Innovationsblockaden, wie wir sie von den großen Unternehmen kennen. Dort sind viele Zauderer und Bedenkenträger entlang des Innovationsprozesses positioniert und haben viele Gelegenheiten, die wirklichen Neu­erungen – welche Veränderung bedeuten – zu verhindern. Die Besessenen hingegen verfolgen eine Idee („Wir wollen den besten Computer bauen“) mit einer Leidenschaft und eben auch der Besessenheit, die tatsächlich für Veränderungen im Nutzer­ verhalten sorgt und die technokratisch­bürokratisch ausgerichte­ten Innovations­-Systematiken regelmäßig blass aussehen lässt. Ganz erstaunlich finde ich daran eigentlich nur, dass jede Genera­tion von Managern und Innovationsmanagern wieder und wieder große Innovationssysteme ersinnt, die zwar immer wieder aufs Neue gut gemeint sind, aber immer wieder aufs Neue wenig her­ vorbringen. Ich vermute, es hängt mit dem Selbstverständnis von Management und eben insbesondere des Innovationsmanage­ments zusammen. Und da gibt es eben kaum etwas, was nicht auch gemanagt werden könnte, selbst wenn es wenig oder nichts bringt. Wesentlich Erfolg versprechender wäre es, mehrere Entstehungs­möglichkeiten für Innovationen zu kultivieren. Richtige Inno­vationskulturen vertragen sowohl Besessene, die für eine Idee brennen, als auch eine Systematik – aber eben auch den dritten Weg, den Zufall.

Innovation als Erneuerung

Die Evolution ist ein erfolgreicher Innovationsmotor. Seit Darwin wissen wir, dass die Artenvielfalt nicht das Ergebnis eines Schöpfers ist, sondern durch das Phänomen der Ab­ stammung und Vererbung über Jahrmillionen entstand. Der zugrunde liegende Mechanismus der Mutation ist im Kern ein zufallsgesteuertes Losverfahren. Hier wird quasi ‚ausgewürfelt‘, welches genetische Material von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben wird. Über die natürliche Auslese in Form von Selektion und Stabilisierung wird gesteuert, ob sich Neuerun­ gen bewähren oder ob sie wieder verworfen werden.

Trotz kontroverser Diskussionen in Detailfragen ist die Evolu­tionstheorie inzwischen als Grundlage des Lebens auf der Erde anerkannt und die am besten erforschte wissenschaftliche Theorie. Sie besagt im Wesentlichen, dass Lebewesen unter­ schiedlich gut an ihre Umwelt angepasst sind. Durch den ständi­ gen Wettbewerb um Futter, Brutplätze, Reviere und Lebens­ bedingungen streben sie immer nach optimaler Anpassung und befinden sich somit in einem kontinuierlichen Veränderungs­ und Adaptionsprozess. Einige Merkmale der Evolution:
• Evolution findet immer statt
• Es gibt keinen dauerhaften Wettbewerbsvorteil (nur temporär)
• Der Vorgang ist selbstgesteuert, es gibt keine Bewertung (und kein Management!)
• Die Auslese erfolgt nur im Wettbewerb
• Evolution ist nicht zielgerichtet

Die Weiterentwicklung beruht auf dem Zusammenspiel von Evolutionsfaktoren wie beispielsweise Mutation, Rekombination, Selektion, Isolation oder Gendrift. Neue Kombinationen von Genen entstehen während der Fortpflanzungsphase. Sie sorgen zunächst für eine große Variation im Genpool. Durch die Anzahl neuer Genmutationen werden Möglichkeiten zur Erneuerung erzeugt. Welche der Neuerungen sich dauerhaft etablieren kön­ nen, zeigt sich in der Adaption an die Umweltbedingungen. Im Wettbewerb setzen sich die am besten auf die Umweltbedingungen angepassten Arten durch. Das Verblüffende ist nun, dass es in der Natur keinen Masterplan und keine Strategie für die Entwicklung der Populationen gibt. Instinkt und Überlebenstrieb des Individuums und der Mechanismus der Evolution funktionieren seit Jahrmillionen recht effizient und sorgen für eine ständige kreative Erneuerung.

Genau das ist der Unterschied zum betrieblichen Innovations­ wesen. In der Regel wird durch eine Innovationsstrategie die Richtung der Innovationsbemühungen vorgegeben. Das führt jedoch – wie zahlreiche Untersuchungen belegen – zu tunnel­ blickartigen Reaktionen. Statt für möglichst viele Neuerungen offen zu sein, sucht man gezielt nach Lösungen für bekannte Probleme. Die Fixierung auf das vorgegebene Ziel verhindert die neutrale Beurteilung von Ideen. Es hätte sicher keine nennens­ werte Evolution stattgefunden, wenn bestehende Populationen die Zukunft der Arten strategisch festlegen. Dann würden heute noch die Menschen auf den Bäumen leben, da es erst einmal kei­ nen Sinn macht, sich auf allen vier Gliedmaßen fortzubewegen, um später aufrecht gehen zu können. Der aufrechte Gang war sicher kein geplanter Schritt in der Entwicklung des Menschen. Die These lautet daher: Um die Innovationskraft zu steigern, sollte es weniger Strategie und dafür mehr Evolution im Innova­tionsmanagementsystem geben.

Wie bekommt man nun die Evolution ins Innovationssystem eines Unternehmens?

Der innovative Schritt in der Neugestaltung liegt darin, sich an den Verfahren der Natur zu orientieren und den Zufall zur Steigerung der Variation ins Spiel zu bringen. Ähnlich wie bei der Rekombination während der Fortpflanzungsphase muss man mehr Variationen zulassen und diese zunächst ohne Bewertung weiterentwickeln, auch wenn sie zunächst unlogisch erscheinen und nicht zur Strategie passen. Eine Neutralität ist im Prinzip nur durch eine Zufallsauswahl gegeben. Konkret bedeutet das, Ideen werden – zumindest teilweise – ausgewürfelt (d.h. ‚Innovations­ Roulette‘) statt wie üblich von Innovationsmanagern oder – boards zu bewerten. Dadurch erhöht sich das Innovationsspektrum und man beschäftigt sich tatsächlich mit nicht ganz so offensicht­lichen Ideen – man spricht auch von Serendipity.

Planst du noch oder innovierst du schon?

Venture Capitalists setzen bei ihren Investments nicht alle Einsätze auf ein Unternehmen oder eine Geschäftsidee. Vielmehr werden viele kleinere Investments getätigt; wohlwissend, dass die weitere Entwicklung schwierig bis gar nicht zu beurteilen ist. Wenn sich von zehn vielversprechenden Beteiligungen lediglich eine als erfolgreich durchsetzen wird, zählt das als Erfolg. Im Innovations­ management möchte man jedoch Flops vermeiden und prüft und analysiert lieber so lange, bis vermeintlich ein Misserfolg auszu­ schließen ist. Gerade im Hinblick auf die Evolution erweist sich bei unübersichtlichen und von Unsicherheit geprägten Situationen der Ansatz mit den pfadunabhängigen und gestreuten Investments als Erfolg versprechender.

Wie Louis Pasteur einmal sagte: ,Luck favors the prepared mind‘. Und so ist jedes abgebrochene Innovationsprojekt ein Lernfort­ schritt. Wer keine Fehler macht, ist nicht innovativ genug. Ins­ besondere in Design­Thinking­Ansätzen wird genau die Ansicht vertreten, dass frühzeitig angefertigte Prototypen und Experi­ mente zu hohem Erkenntnisgewinn führen und bei Innovations­ bemühungen eigentlich unverzichtbar sind. Dezentralisierung, Gaming und vor allem viel mehr Experimente steigern die Möglichkeiten der Variation und zwingen zur Selektion, was wie­ derum zur Steigerung der Agilität und der Anpassungsfähigkeit des Unternehmens beiträgt.

Die Ausführungen zeigen, dass man durch eine höhere Vielfalt im Innovationsmanagement der Mittelmäßigkeit entkommen könn­te (hinreichend, jedoch nicht ausreichend). Das bedeutet: wenn man Innovationen nicht nur mit der typischen Innovations­-Systematik verfolgt, sondern auch dem Zufall eine Chance gibt, wird sich das Innovationsverhalten verbessern. Wenn man dar­ über hinaus noch dem einen oder anderen Besessenen den Frei­raum für Innovationen bereitstellen kann, wäre es noch besser !

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Februar 2013:

‚Innovation ist richtig harte Arbeit‘ (Faktor A vom 12.02.2013):

Zukunftsforschung

„Innovationen sind richtig harte Arbeit.“

Ideen sind der Rohstoff jeder Innovation. Die meisten Geistesblitze verpuffen aber, nur aus wenigen wird ein verkaufsfertiges Produkt. Der Zukunftsforscher Ulf Pillkahn beantwortet bei Siemens die Frage, was die Konsumenten von morgen wollen. Im Faktor-A-Interview erklärt er, wieso der Zufall der beste Freund der Innovation ist.
innovation_titel_01Schneller, besser, billiger, erfolgreicher: Handwerksbetrie­be träumen davon, Familienunternehmer, Manager im Mittelstand, Konzernbosse im Dax, Aufsichtsräte. Jeder kann immer noch eine Schippe drauflegen, die Maschine noch ein wenig schneller laufen lassen. Störungen sind da eine Katastrophe, erst recht, wenn sie aus der eigenen Belegschaft kommen. Manchmal traut sich trotzdem einer. „Ja, aber…“, sagt der dann, „ich hätte da so eine Idee. Könnten wir nicht ganz anders, besser, schlauer?“ Mit dem Widerspruch ist das aber so eine Sache: Er ist wichtig, aber unbeliebt, mancher Einfall wird zum Störfall. Und das, obwohl alle immer über Innovation und ihre Bedeutung reden, in Meetings, Firmenansprachen, auf Podien. In der Praxis wird das Altbewährte oft nur aufpoliert, „inkrementelle Innovation“ heißt das dann. Es gibt Manager, die damit Innovationsstärke beweisen wollen, ohne ein Risiko eingehen zu müssen. Der Entscheider profitiert, das Unternehmen verliert. Führungskräfte, denen die Zukunft ihres Unternehmens am Herzen liegt, investieren deswegen rechtzeitig in Forschung und Entwicklung. Zu den innovativsten deutschen Unternehmen gehören Familienunternehmen — sie sind auf Konkurrenzfähigkeit besonders angewiesen.

icon_unterstuetzungIdeen brauchen Unterstützung
Faktor A: Herr Pillkahn, gehen den deutschen Ingenieuren die Ideen aus?
Ulf Pillkahn: Es liegt in der Regel nicht an der Menge der Ideen. Es liegt an den Organisationen und deren Umgang mit den Ideen. Dem Management ist zwar klar, dass Innovationen die Grundlage für das Geschäft von morgen sind. Die Organisationslogik steht einem echten Aufbruch entgegen. Wirkliche Neuerungen sind nun mal kaum kalkulierbar. So ist es kein Zufall, dass radikale Neuerungen häufig von Branchenfremden stammen. Während Kodak noch die Filmrolle optimierte, verdienten andere schon Geld mit der Digitalfotografie. Der erste Webbrowser kam nicht von Microsoft, der erste MP3-Player nicht von Sony und die Internet-Infrastruktur nicht von Siemens. Das Muster ist immer gleich: Erfolg macht träge, dann steht sich die Organisation selbst im Weg und verpasst Neuentwicklungen.

icon_arbeitInnovation ist harte Arbeit
Faktor A:
Wie viel Risiko braucht Innovation?
Pillkahn: Die Evolution ist der vielleicht wichtigste Innovationsmotor in der Menschheitsgeschichte. Hätten wir jedoch Manager über unser Schicksal entscheiden lassen, würden wir uns heute wahrscheinlich noch immer auf allen vieren vorwärtsbewegen. Ich habe oft den Eindruck, dass Manager an die „perfekte Idee“ glauben. Dabei sind Innovationen richtig harte Arbeit. Ideen müssen entwickelt, verfeinert, verworfen, neu entdeckt, kombiniert, getestet, erweitert werden. Deswegen plädiere ich dafür, den Zufall ganz bewusst zum Bestandteil des gesteuerten Innovationsprozesses zu machen. Der Zufall ist neutral, gefühllos und irritierend, man kann damit ein Stück weit die Logik der Evolution und des Marktes ins Unternehmen holen.

icon_verruecktDas Verrückte Denken
Faktor A:
Was kann ich als Unternehmer ohne eigene Innovationsabteilung überhaupt erreichen?
Pillkahn: Eine Menge, wenn die Entscheider bereit sind, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen. In Deutschland glauben manche Manager immer noch, einer guten Idee müssten viele hochseriöse Jahre in der Forschung vorausgehen. Ich würde aber lieber Spielgeld verteilen, um die Kreativität von Mitarbeitern anzustacheln. Spielgeld besteht aus echten Etats, über die Mitarbeiter frei verfügen können. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass solche Methoden notwendig sind, um die Innovationsträgheit von Organisationen zu überwinden. Manager finden die Marktwirtschaft zwar toll — aber nur außerhalb ihres Unternehmens. Oft kann sich nur durchsetzen, was zur vorgegebenen Strategie passt. Und je älter und kompetenter Unternehmen werden, desto konservativer werden sie. Warum sollte man das, womit man jahrelang erfolgreich war, infrage stellen?

icon_inputInput besorgen
Faktor A: Wie geht Siemens das Thema Innovation und Zukunft an?
Pillkahn: Wir verwenden viel Energie darauf, erst mal die Gegenwart zu verstehen. Dazu haben wir das Programm „Trendmonitoring“ entwickelt. Damit identifizieren wir, welche Strömungen die Gesellschaft gerade antreiben. In Workshops und anderen Veranstaltungen wird dann die Zukunft „erdacht“. Die Zukunft der Computertomografie ist ein gutes Beispiel: In der Health Care versuchen wir, mittels Trendmonitoring zu verstehen, wie diese Technik in 20 Jahren eingesetzt werden wird. Wie weit könnte man die Strahlendosis senken? Wie wird sich der Bevölkerungsquerschnitt bis dahin verändert haben, und wie müssen wir darauf technisch reagieren? Diese Erkenntnisse haben direkten Einfluss auf Strategie und Marketing.

icon_kombiDurch Kombination zur Innovation
Faktor A: Sie versuchen heute zu wissen, was die Menschen morgen wollen werden. „Corporate Foresight“ heißt diese Disziplin. Wie funktioniert das?
Pillkahn: Im Supermarkt sind drei Kassen offen, je fünf Leute bilden eine Schlange. Wo geht es am schnellsten? Das ist praktiziertes Foresight. Wie schnell ist die Kassiererin? Was haben die Leute im Wagen? Sind Kinder dabei? Im übertragenen Sinn heißt das: Welche unternehmerische Entscheidung treffen wir in welcher Situation? Und hier geht es nicht um Wartezeit, sondern um Investitionen in Millionenhöhe: Sollen wir auf die neue Energietechnologie setzen oder abwarten?

icon_umarmenDas Fremde umarmen
Faktor A:
Woran erkenne ich als Unternehmer, wer die richtigen Köpfe für Innovations- und Zukunftsforschung sind?
Pillkahn: Bei Xing bilden die Querdenker eine der größten Gruppen, wohl weil der Begriff etwas positiv Irritierendes hat. Die wenigsten der Mitglieder sind tatsächlich Querdenker. Denn diese haben es im wahren Leben eher schwer. Sie lassen sich nichts sagen, erledigen Aufgaben anders, werden gerne gemobbt. Gerade Andersdenkende sind aber extrem wichtig für Anpassungsvorgänge und Erneuerungen. Sie erkennen Entwicklungen früher als andere und trauen sich zu widersprechen. Um die Zukunft offen erkennen zu können, braucht es offene Geister.

icon_zufallEin Lob des Zufalls
Faktor A: Ist Innovation planbar?
Pillkahn: Pläne sind nur dokumentierte Wünsche. Es wird immer anders kommen. Mit dieser Einstellung kann man auch Innovationen planen. Der Zufall ist aber der Feind der Planung und damit unbeliebt im Management. Die Vergangenheit gibt ihm aber recht: Penicillin, Laser- und Röntgentechnik, das Internet, die Post-its — sie waren Zufallsprodukte. Der Zufall ist der Freund der Innovation, man muss ihn nur erkennen können. Mehr Zufälle bedeuten mehr Ideen, mehr Ideen bedeuten mehr Innovationen.

Bilder: © Jan Rieckhoff
http://www.faktor-a.arbeitsagentur.de/wissen/innovation/

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Januar 2013:

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Review von Büchern zum Thema Innovation: www.innovation-review.com
Blog zum Thema Innovation Roulette (Irritation als Instrument zur Stimulierung von Veränderung): www.innovation-roulette.com
Beratung und Vorträge: www.operation-zukunft.de

2 thoughts on “Veröffentlichungen

  1. Dear Dr.Pillkahn
    This is Hadi Attaran and I’m working on my paper about future studies. since one of my references is your great book on using trends and scenarios, I like to use some of its figures and images.
    sending this email i want to ask you let me your material in my paper.
    yours faithfully
    Hadi Attaran

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