Mai 08

Erstaunliche Experimente (3): Kindergarten

Ökonomen bevorzugen in der Regel einfache Erklärungsmodelle. Noch heute ist das Modell des Homo Economicus – also des stets rational kalkulierenden und zum eigenen Vorteil tendierenden ‚Marktteilnehmers‘ –  sowohl in der Lehre als auch in der Wissenschaft weit verbreitet (obwohl der Ansatz lediglich für einige Ausnahmefälle anwendbar ist und die Begrenztheit offensichtlich ist).

Mit einem (aus meiner Sicht) wunderbaren Experiment zeigten die Ökonomen Uri Gneezy und Aldo Rustichini welchen Schaden eine Ökonomisierung im Alltag nehmen kann (im Jahre 2000 veröffentlicht in einem wissenschaftlichen Paper).
Bei dem Experiment geht es um einen Kindergarten in Israel. Der Kindergartenverwaltung ist es ein Dorn im Auge, dass einige der Eltern ihre Kleinen regelmäßig viel zu spät von der Betreuung im Kindergarten abholen. Die Unzufriedenheit bei den Betroffenen des verschleppten Feierabends wuchs und man ersonn eine ‚Strafgebühr‘ in der Hoffnung  damit abzuschrecken und die Racker würden fortan rechtzeitig eingesammelt. Was passierte daraufhin? Die Eltern zahlten nun eine Strafe für zu spätes Abholen und erstaunlicherweise stieg die Anzahl der ‚Zuspätabholer‘ (und Strafezahler). Die Strafe bewirkte also genau das Gegenteil. Aber warum? Die Forscher erklärten das Verhalten damit, dass das zuvor schlechte Gewissen nun mit der Strafe wieder rein gewaschen wurde. Als alle Dämme brachen und die Mehrzahl der Eltern sich für das Zahlen der Strafe entschieden, versuchte das Kindergartenmanagement alles wieder zurück zu drehen, also keine Strafe mehr. Was passierte nun? Nichts! Einmal eingerissen änderte sich nichts mehr.

Kindergarten

Kindergarten

Die Erklärung: soziale Spielregeln basieren auf Gewissen, Vertrauen und zwischenmenschlichen Bindungen. Werden diese Spielregeln nun mit ökonomischen Regeln vermischt, wird das Verhalten legitimiert. Ein Rückgriff auf rein soziale Spielregeln ist so gut wie unmöglich, da das Vertrauen und die Basis zerstört ist.

Ein spannendes Experiment, wie ich finde und man kann das natürlich auf andere Lebensbereiche anwenden (diskutiert im Handelsblatt). Denkt man bspw. an die Bonusdiskussion, kann man sich vorstellen, dass in vielen Organisationen die Leistungsmotivation allein finanziell erfolgt. Das wiederum ist doch bedenklich.

Mrz 19

Erstaunliche Experimente (2): Rosenhans Pseudopatienten

Bekanntermaßen faszinieren mich Experimente, um so mehr, wenn sie Bewährtes und Allzuselbstverständliches in Frage stellen. Beim nachfolgend beschriebenen Experiment kann man sich einer gewissen Schadenfreude kaum erwehren. Jedoch nur kurz, denn rasch wird einem bewusst, wie verbreitet das dargestellte Schubladendenken tatsächlich ist – und das macht nachdenklich.

Der amerikanische Psychologieprofessor David L. Rosenhan führte das Experiment zwischen 1968 und 1972 durch und veröffentlichte die Ergebnisse im Science-Magazin unter dem Titel ‚On being sane in insane places‘  (übersetzt etwa: Gesund in kranker Umgebung).
Acht Pseudopatienten (fünf Männer und drei Frauen – alle kerngesund) gehen zum Arzt und erklären im Aufnahmegespräch, sie würden Stimmen hören und könnten Worte wie etwa ‚leer‘, ‚hohl‘ und ‚dumpf‘ wahrnehmen. Alle anderen Angaben wurden wahrheitsgetreu vorgetragen und ansonsten war das Verhalten normal. Wie abgesprochen wurde anschließend bei jeder Gelegenheit darauf verwiesen, dass die Stimmen verschwunden seien. Es half jedoch nichts, alle wurden eingewiesen und blieben zwischen 7 und 52 stationär in Behandlung um dann – alle – mit dem Befund ‚abklingende Schizophrenie‘ wieder entlassen zu werden.
Keiner der Pseudopatienten könnte also enttarnt werden und Rosenhan schlussfolgert, dass man eben gerne sieht was man sehen will. Als ein Institut mit den Ergebnissen konfrontiert wurde, gab man sich ungläubig: so etwas könne nicht passieren. Darauf hin folgt der zweite Teil des Experiments. Rosenhan kündigte an, in den folgenden drei Monaten weitere Pseudopatienten einzuschleusen. Nun werden von 193 Patienten 41 als Pseudopatienten ‚enttarnt‘. Das Problem dabei: nicht ein Pseudopatient stellte sich tatsächlich vor.

Katze

Das ist bemerkenswert. Die Psychologie ist keine exakte Wissenschaft und tut sich wohl nach wie vor sehr schwer mit Befunden. Obwohl schon vierzig Jahre her, ist es wohl heute auch noch recht ähnlich. Erinnert sei hier an den Justizskandal um Gustl Mollath. Zweifelhafte Fachexpertise wird selten in Frage gestellt – und das kennt man auch von Innovationen.

Jul 21

Erstaunliche Experimente (1): … über besserwissende Chefs

Ein Ökonom der Universität Zürich hat das folgende Experiment durchgeführt:

Fünfhundert Studenten sollten im Labor Entscheidungssituationen in Unternehmen nachspielen und die Ergebnisse sind – wie ich meine – recht interessant. Die eine Hälfte wurde zu Führungskräften ‚ernannt‘, die andere Hälfte wurden ganz normale Mitarbeiter. Jeweils in Zweierteams sollte aus einem Angebot von 36 imaginären Projekten das Eine – möglichst lukrative, mit dem man viel Geld verdienen kann – ausgewählt werden. Zu Beginn war die Informationslage sehr dünn, beide – sowohl Chef als auch Mitarbeiter  – wussten gleich wenig, eigentlich nichts. Beide konnten jedoch, zusammen oder jeder für sich, Informationen ‚kaufen‘ oder auf gut Glück Projekte auswählen. Klar war beiden, das letzte Wort sollte der Chef haben. Diese Praxis kennen wir ja zur Genüge aus dem Unternehmensalltag. Die Forscher beobachteten über Stunden das Vorgehen der Paarungen. Das Erstaunliche – obwohl, wer ahnte sowas nicht schon – ist nun, dass im 30 Prozent Gewinn verloren ging und man das sehr präzise auf den autoritären Führungsstil zurückführen kann. Die Mitarbeiter hatten überwiegend viel Geld investiert um an Informationen über die Projekte zu kommen, sie lernten jedoch schnell, dass sich das Engagement kaum lohnte. Die Chefs lagen jedoch einfach mit ihren Entscheidungen viel zu oft daneben. Die bessere Lösung wäre zweifelsfrei eine Delegation oder Zusammenarbeit gewesen. Offenbar steht aber der Erhalt der Macht im Vordergrund. Man kann also folgern, dass die Erhaltung der Macht von Chefs die Formen richtig viel Geld kostet. Vorschläge zur Verbesserung schlägt die Studie leider nicht vor, dabei wäre es ganz einfach: bessere Chefs auswählen. In der Regel setzen sich die Machtversessene und Ellenbogentypen durch. Genau dieses Muster sollte doch zu durchbrechen sein.

Aber so bleibt jedes Unternehmen genau das, was es verdient hat.

Quelle: Handelsblatt 15.07.2013, S.12