Dez 31

Niemand mag Socken …

Wirklich? Jedenfalls behauptet es die Werbung, die recht penetrant in der Vorweihnachtszeit ausgestrahlt wurde:

Also auf mich trifft das nicht zu. Ich mag Socken, vor allem wenn sie passen. Vielleicht habe ich deshalb auch zu Weihnachten gleich 2 Paar bekommen. Dass Socken nun das Synonym für ein fades Geschenk ist, sei es drum, damit kann ich leben. Was aber ziemlich nervt, ist der gesellschaftliche Druck, der durch solche Werbung gewollt ist und zwangsläufig auch sehr verbreitet entsteht: immer größere, immer tollere und vor allem teurere Geschenke. Der Konsumwahn wird befeuert, bis es weh tut. Merkwürdig, bei mir bewirkte es wohl das Gegenteil. Ich beschloss zum Jahresende im neuen Jahr 2015 überhaupt keine Bekleidung zu kaufen, weder für mich, noch für jemand anderen. Einzige Ausnahme könnten Laufschuhe sein, die bei mir relativ zügig verschleißen und dann ersetzt werden müssen. Ansonsten: nichts.

Ob ich das schaffe? Klar, Socken habe ich ja genug, ansonsten denke ich habe ich von allem genug. Mut macht mir übrigens, dass das wohl schon mal jemand ausprobiert hat, der sicher von Hause aus schon mehr Sachen ‚braucht‘:

Das ist mein Beitrag zur Nachhaltigkeit dieses Jahr. Wenn sich das rumspricht und Schule macht, sind sicher einige froh, wenn sie wenigstens noch Socken verkaufen.

Okt 22

Die Beschleunigungsillusion

Wir haben uns an die Krise gewöhnt. Was früher als Hiobsbotschaft galt, ist heute eine Randnotiz. Die Größenordnungen haben sich verschoben. Heute geht es um Milliarden, um Rettungsaktionen und um Schadensbegrenzung. Nach Jahren des ungebremsten Wachstums erleben wir nun eine Vollbremsung. Was sicher für viele Leute als sehr schmerzhaft empfunden wird, wird sich langfristig als gesunde Korrektur herausstellen.
Rückblickend stellt man fest, dass bestimmte Bereiche der Gesellschaft sich unterschiedlich schnell entwickeln– sowohl im Auf- als auch im Abschwung. Die Obergrenze für Beschleunigung ist durch die Geschwindigkeit des Transfers und der Verarbeitung von Waren, Geld und Informationen limitiert. Informationen können elektronisch übertragen werden – theoretisch mit Lichtgeschwindigkeit. Die Verarbeitung wird durch immer leistungsfähigere Prozessoren übernommen. Ähnlich schnell können monetäre Werte elektronisch verschoben und verarbeitet werden. Interessant ist nun, dass es in beiden Bereichen in jüngster Vergangenheit zu einer Krise kam. Im Jahre 2000 barst die Internetblase und 2008 wurde die Finanz- und Wirtschaftskrise durch den Bankrott von Lehman Brothers ausgelöst. Auffällig ist, dass in beiden Fällen die ‚abgekoppelten‘ Anwender die Krise auslösten. Es wird klar, dass die Aufnahme- und Verarbeitungskapazität des Menschen auch ein nicht zu unterschätzender Begrenzungsfaktor ist. Der Mensch kann nun einmal nur eine begrenzte Menge von Informationen und Fakten verarbeiten, insofern kann man von einer Beschleunigungsillusion sprechen. Ebenso ist die Menge an zu erwirtschaftenden Finanzmitteln limitiert und der Konsum von Produkten hat irgendwo auch eine Grenze. Letztlich ist die reale Welt der wichtigste Indikator und trotz virtueller Beschleunigung der Finanz- und Informationsmärkte kann ein Mensch jeweils immer nur ein Auto fahren, ein Buch lesen und in einen Fernseher schauen. Um mithalten zu können, müsste der beschleunigte Konsument vielmehr einkaufen und vielmehr und viel öfter die Produkte umschlagen, also viel kaufen und viel wegwerfen. Die Abwrackprämie beweist doch, dass photo posted on post-gazette.comdie Wirtschaft zu hoch getaktet ist und nur mit Staatshilfe aufrecht gehalten werden kann. Mehr Gelassenheit würde allen gut tun und obwohl ich mein iPhone inzwischen ganz gerne mag, bewundere ich die Amish in ihrer Lebensweise. Wie man hört, spüren die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft nichts von der aktuellen Krise.

Jun 19

Alles Bio?

Vor langer Zeit war ja alles einmal irgendwie Bio. Es gab zu Zeiten von Goethe und Schiller keine Geschmacksverstärker und keine Tiefkühlpizza mit Käseersatz. Die Industrialisierung brachte viele Vorteile für Kunden (längere Haltbarkeit durch Konserven) aber vor allem für die Hersteller in Form von Automatisierung und Skaleneffekten. Seit Jahren gibt es nun unter dem Namen Bio viele Lebensmittel wieder in möglichst natürlicher Form und ohne die durch die Industrialisierung bedingten Nebeneffekte. Klar ist Bio teurer, ja es muss in der Herstellung teurer sein wenn das Lebensmittel im Mittelpunkt steht und nicht der Herstellungsprozess. Jeder muss für sich entscheiden, ob ihm das der höhere Preis wert ist. Für mich ist der wichtigste Grund für Bio das Vertrauen. Nun bin ich kein leichtgläubiger Mensch, aber irgendwie kann ich es glauben, dass auf einem Bauernhof, den ich mir sogar anschauen kann, die Produkte möglichst natürlich sind und die Erzeugung mit einer ökologischen Überzeugung erfolgt. Großkonzerne unterliegen anderen Motivationen und dem Ziel ist Gewinnmaximierung. Prinzipiell ist das nichts Schlechtes – es ist das Grundprinzip der Marktwirtschaft – aber wie viele erschreckende Beispiele anschaulich zeigen, leiden die Produkte darunter. Lukrativ ist nur, was sich einfach herstellen aber teuer verkaufen lässt.

Nehmen wir als Beispiel den Nescafé Xpress:

Der besteht aus 75% fettarmer Milch, 19,4% Kaffee (aus löslichem Bohnenkaffee), Zucker, Stabilisatoren (E460, E466), Säureregulator (E500, E332) und Aroma. Auf einen Liter umgerechnet würde das Milchgetränk ca. 8,00 Euro kosten – zum Vergleich: ein Liter fettarme (Bio)Milch kostet ca. 1,00 Euro. Für den Hersteller ist es ein ideales Geschäft – extrem einfach herzustellen und mit einer riesigen Marge. Leider schmeckt es wohl noch nicht mal. Laut der Tester des WDR-Fernsehens ist der Geschmack „Nur süß, holzige bis muffige Note, nur ein Hauch von Kaffeearoma, komischer Nachgeschmack.“ (WDR: http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeitraege/2009/0515/01_kaffeedrinks_im_test.jsp)  Für richtige Bio-Fans ist so was ein Alptraum – fast nur künstliche Zutaten, extrem teuer und nicht schmeckend! Die preisliche Nähe zu Bioprodukten geht direkt als Gewinn an den Hersteller. Im Gegensatz dazu rechtfertigt sich der Preis bei Bioprodukten in der Regel durch den höheren Aufwand in der Herstellung und der Vermeidung industrieller Methoden. Und genau das ist der Grund, warum ich gerne und oft (aber nicht ausschließlich!) Bio-Produkte kaufe. Ich fühle mich einfach gut damit.

In der Financial Times Deutschland vom 22.05.2009 steht ein Kommentar von Michael Skapinker („Warum ich kein Bio kaufe“). Er argumentiert, dass der Beweis nicht erbracht ist, dass Bio-Lebensmittel nahrhafter seien als konventionelle Lebensmittel. Fairtrade sei besser als Bio und das Bio auch nicht besser für das Klima sei. Den wahren Grund, warum Leute Bio kaufen, hat er wohl nicht begriffen, der Herr Skapinker. Vielleicht hilft der neue Film Food.Inc beim Verständnis, jedenfalls trauen die meisten Bio-Konsumenten den Bio-Bauern und Bio-Produzenten wohl eher zu, die besseren Lebensmittel herzustellen.