Aug 28

Gerechtigkeit – das große Versprechen

Kann es Gerechtigkeit so pauschal überhaupt geben? Irgend jemand fühlt sich doch immer ungerecht behandelt – um das zu bestätigen, braucht man nur Meinungen zur Vergütung einholen … gerecht bedeutet auch immer zu fragen: ‚Gerecht für wen?‘ Ohne die Perspektive zu ergänzen bleibt Gerechtigkeit nur Geschwafel.

Aber darum geht es heute gar nicht, es ist ja kurz vor der Wahl und da nimmt das Gerede über Gerechtigkeit ja wieder extrem zu – nach der Wahl hört man dann wiederum kaum noch was davon.

Was mich diese Woche ziemlich irritiert hat,  ist das Strafmaß gegen G20 Randalierer. Gar keine Frage, da ist nicht schön zu reden, das ist eine Sauerei und gehört bestraft. In dem Fall mit 2 Jahren und sieben Monaten Freiheitsentzug für einen Flaschenwerfer. Mit diesem Urteil muss doch jedes Gerechtigkeitsempfinden eine Ohrfeige bekommen. Wie gesagt, Strafe sollte sein.
Aber man möge sich erinnern, vor nicht allzu langer Zeit sind zwei Raser zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, obwohl bei der vorsätzlichen Raserei Menschenleben zu beklagen waren (eine 19 jährige Radfahrerin wird getötet, ein Täter erhält zwei Jahre, der andere ein Jahr und neun Monate auf Bewährung) . Wie passt das zusammen? Das Urteil wurde zwar inzwischen vom BGH kassiert – unter anderem mit dem Hinweis auf das Rechtsempfinden in der Bevölkerung, aber dennoch: Auf der einen Seite eine vorsätzliche Straftat: der Tod von Unbeteiligten wurde billigend in Kauf genommen. Die Richter urteilen auf Bewährung. Im anderen Fall: Flaschenwerfen mit der Folge von Verletzungen: Freiheitsentzug 2 Jahre und 7 Monate. Wie lässt sich das in einem Rechtsstaat erklären?

Doch wohl nur so, dass der Staat wesentlich empfindlicher reagiert, wenn es um eigene Interessen geht. Dass es eigentlich auch Aufgabe und Pflicht des Staates ist, die eigenen Bürger zu schützen bzw. Strafen entsprechend zu ahnden scheint irgendwie gar nicht mehr selbstverständlich zu sein. So deutlich habe ich es persönlich selten empfunden, dass dem Staat seine Bürger und die Bürgerrecht eigentlich ziemlich egal sind. Aber viel von Gerechtigkeit faseln vor der Wahl, dass können Sie alle gut.

Mai 10

Trauerspiel Elektroauto

oder …

Wie ich versuchte, mir ein Elektro-Auto zu zulegen.

Im Rückblick war es wohl naiv. Ich dachte, es wird Zeit, den Diesel abzuschaffen und durch ein modernes, elektrisch betriebenes Auto zu ersetzen. Ich halte mich ja für innovativ, insofern kam ja eigentlich auch nur ein e-car in Frage. Was ich erlebt habe, lässt mich jedoch wieder zweifeln. Oder anders, es bestätigt eigentlich die These, dass Innovationen niemals einfach sind.

Wurde nicht vor Jahren mal das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2020 sollten in Deutschland 1 Millionen Elektroautos fahren? Für Deutschland als Autoland wäre es sicher ein gutes Signal gewesen – für die Umwelt und auch für die Technologie. Je näher man jedoch dem Zieldatum kommt, desto klarer wird wohl: Es wird nichts werden mit den Millionen Öko-Flitzern – derzeit gibt es etwa 60.000 in Deutschland. Und die große Frage ist: Warum ist das so? Zunächst glaube ich ja, wenn die Bundesregierung nur halb soviel Energie in die Unterstützung der Elektromobilität gesteckt hätte wie sie in das Projekt Ausländer-PKW Maut gesteckt hätte, wäre das Ziel erreichbar gewesen. Aber die Prioritäten scheinen da klar verteilt zu sein. Man arbeitet sich lieber an kleinkarierten Maut-Projekten ab (und betont dann aber unisono das man für die EU ist, der Widerspruch fällt den Politikern aber wohl selber nicht auf). Besonders enttäuschend finde ich nun die Reaktion der Kanzlerin: das Ziel wird einfach zurück genommen. „Wir haben alles versucht aber es klappt halt nicht.“ Schuld sind natürlich die verdammten Kunden, die einfach nicht wollen. Das ist so halbherzig, so lauwarm, so lieblos, so kraftlos. Und diese Frau will wieder Kanzlerin werden.

Auffällig an der Politik ist, dass man wohl einfach nicht verstanden hat, weder was die Kunden wollen, noch wie das funktioniert mit der Elektromobilität. Wie üblich denkt man, Politik ist im wesentlichen Geld – eine Prämie für die Autos reicht als Anreiz.
In dem Fall aber wohl einfach nicht. Das Auto ist eben nur ein Teil und in dem Teil ist die Infrastruktur mindestens genauso wichtig wie das Auto selber. Man kann nicht einfach an die Tankstelle fahren sondern lädt – über Kabel – Elektroenergie in das Auto. Wenn ich mir also ein e-car kaufe, sollte klar sein, wie ich das Auto geladen bekomme. Und das ist ernüchternd – in München gibt es etwa 100 Ladesäulen (bei ca 5000 e-cars). Wer dann auf die Idee kommt, sich in der Tiefgarage einen Ladeanschluss zu legen, merkt schnell, dass man da sehr einsam und allein im Regen steht. Das Landgericht München hat im Dezember entschieden, dass die Eigentümerversammlungen entscheiden müssen. Die lehnen jedoch meistens ab, da bauliche Maßnahmen eben abgelehnt werden. Es reicht schon, wenn eine Partei dagegen ist, dann wird das alles nichts. Es wird empfohlen, eine eigene Garage zu haben (!). Besonders absurd: München möchte Ladestationen auf Privatgrund mit 5.000 Euro unterstützen. Man merkt schnell, es gibt ein heilloses Durcheinander: Politisch möchte man, aber kann nicht – die Politik blockiert sich gegenseitig. Solange nicht klar geregelt ist (so wie in Norwegen z.B.), dass man Ladepunkte bevorzugt – ohne die sonst üblichen Genehmigungen – errichten kann, wird sich da auch nichts ändern.  Für eine Investition von mehreren Tausend Euro ist das alles zu unsicher. Was nützt ein tolles Auto, was man dann nicht geladen bekommt, weil man als ‚kleiner Bürger‘ dann zwischen den Instanzen zerrieben wird. Die Planwirtschaft lässt grüßen. Das E-Auto ist in 1 Minute gekauft – die Genehmigung zur Installation und zum Betrieb der Ladesäule bekomme ich sicher nicht vor 2020. Was würde wohl Amazon in der Situation machen?

Jan 31

Die Rolle der Digitalisierung

Die Digitalisierung wird für Veränderungen sorgen. Soviel ist sicher. Alles andere – was sich ändert, wie schnell, wer davon profitiert und wer nicht – darüber gibt es heftige Diskussionen. Da sind die Optimisten und Euphoriker. Für sie ist die Sache klar, alles wird besser (und effizienter). Andererseits sind da die Pessimisten. Sie warnen vor Jobverlusten und Verlusten an Vertrauen, Privatsphäre etc. Eine Meinungsbildung ist insofern nicht so einfach. Die Politik kommt einem zu diesem Thema wieder einmal besonders ratlos vor. Einen kritischen aber sehr bemerkenswerten Beitrag liefert Richard David Precht auf dem Medienkongress 2017:

Der Philosoph versucht eine Einordnung des Themas ins Gesamtbild. Und das ist gut gelungen, wie ich meine. Sehr sehenswert und gut geeignet, die eigene Meinungsbildung zu überdenken.
„Wir müssen die Digitalisierung in die Sphäre der Politik tragen. Das ist da, was im Augenblick nicht passiert.“ (22:57)

Jun 08

Die überforderte Politik

Schon lange geht mir das durch den Kopf: Das Unvermögen der Politiker und warum es so schwer ist, daran was zu ändern. Naiv wie ich bin, denke ich, vom Volk gewählte Politiker sollten ihre Energie darauf verwenden, das Wohl des Landes zu schützen, das Volk zu schützen, für Gerechtigkeit zu sorgen usw.
Und dann schaut man sich folgendes Video an (falls das Video nicht angezeigt wird, hier das Original vom Report Mainz):

Zur Anmerkung, das Video wurde am 07.06. im Ersten deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Inzwischen scheint es sich auch bei den öffentlichen Rundfunksendern rumgesprochen zu haben, dass nicht alle Bürger die Angst haben Nazis sind.

Der entscheidende Punkt ist: der Staat kommt seiner Pflicht nicht mehr nach, wohlgemerkt das sind grundsätzliche Pflichten des Staates, also nichts was man als Sonderwünsche.

In einem Post von Gabor Steinhart – den Herausgeber des Handelsblattes (der in der Regel durch seine Omnipräsenz und gefühlt hohe Geltungssucht auffällt) bringt es hier jedoch ziemlich gut auf den Punkt:

„Hierzulande wächst keine Branche so stark wie das Gewerbe der Einbrecher. Plus 50 Prozent bei Hauseinbrüchen und Einbruchsversuchen seit 2007 muss man wohl einen Superboom nennen. Die Chancen, geschnappt zu werden, liegen bei nur 15 Prozent, das Risiko, anschließend auch noch verurteilt zu werden, sogar bei nur drei Prozent. Das heißt: 97 Prozent aller Einbrecher gehen straffrei aus. Für ein Land, dessen Wirtschaftssystem auf Erwerb, Besitz und Schutz von privatem Eigentum basiert, sind diese Zahlen unakzeptabel. Es gibt Skandale, die bleiben auch dann Skandale, wenn kein Politiker sich mehr darüber aufregen mag.“

Da wird jeder Innovationsmanager blass. Solche Wachstumsraten bei so geringem Risiko schafft kein Start-Up-Unternehmen. Also werden Sie Einbrecher! Die Unterstützung des Staates ist einem insofern gewiss, als das er nichts dagegen unternimmt – also schon mal keine bürokratischen Hürden oder so.

Mich wundert eigentlich nur, warum sich die Politik wundert, dass die Umfragewerte so katastrophal sind und das die AFD so stark ist (SPD: stabil bei 20 Prozent und auf dem Weg zur Randgruppe) Da wird soviel geschwafelt und so selten geht es um die Menschen im Land. Noch nicht einmal wenn es – wie im Video gezeigt – Tote gibt, erkennt man das Problem. Die Politik sieht keinen Handlungsbedarf – und entfernt sich immer weiter vom Volk.

Sep 26

Eindringliche Warnung

Eine Warnung ist die Vorhersage des möglichen Eintritts eines Schadens, der jedoch noch bei Konzentration auf die Gefahr unterbunden werden kann. So der spröde Erklärungsversuch aus einem gängigen Nachschlagewerk. Damit eine Warnung auch nur annähernd Sinnhaftigkeit vermitteln kann, sollte der oder die Gewarnte sich der Gefahr zum einen noch nicht bewusst sein und zum anderen sollte es eine Handlungsoption geben. Die Reaktion auf die Gefahr kann sowohl die aktive Unterdrückung als auch die Vermeidung sein. Das mag jetzt kompliziert klingen, ist aber eigentlich ganz einfach. Bei einer Unwetterwarnung beispielsweise erfährt der Grillfan, dass die Sonne in Kürze weg sein wird. Somit ergeben sich die Optionen entweder das Grillevent verschieben oder zu riskieren, dass es etwas turbulenter zugeht beim Steak essen. Oder ein Arzt warnt einen Patienten vor den Gefahren des Nikotinkonsums.
In jüngster Zeit scheinen die Politiker Warnungen als attraktives Kommunikationsmittel für sich entdeckt zu haben. Sehr beliebt sind Warnungen vor der Klimaerwährmung. Letztes Jahr um diese Zeit waren Warnungen vor einem zu hohen Ölpreis sehr populär. Vor hohen Lebensmittelpreisen und hohen Arbeitslosenzahlen, aber auch vor den Auswirkungen von Streiks und zu hohen oder wahlweise auch zu niedrigen Zinsen. Auffällig an diesen von Politikern geäußerten Warnungen ist stets, dass es für die meisten schon wissen und es im Grunde keine alternative Handlungsoption als Reaktion auf die Gefahr gibt. Wenn Horst Seehofer beispielsweise vor einem zu niedrigen Milchpreis warnt, habe ich das Gefühl, er möchte damit signalisieren, dass er den Ernst der Lage verstanden hat, aber nichts machen kann. Die Warnung als politisches Instrument signalisiert Wille und Aktionsimus ohne jedoch notwendigerweise handeln zu müssen. Die Warnung richtet sich ja an die anderen. Die WHO hat ihre Warnung vor der Schweinegrippe sogar verschärft! Was das wohl bedeuten mag? Als normaler Bürger hat man ja wenig Einfluss auf die Ausbreitung einer Pandemie, auch nicht bei verschärfter Warnung. Also was tun? Die vielen sinnlosen Warnungen führen zu einer wahren Inflation und dazu, dass man sie in der Informationsflut kaum noch ernst nimmt.
Auch wenn es das Wetter nicht unbedingt vermuten lässt, haben wir Sommer und trotz meiner verschärften Warnung wird das Sommerloch auch in diesem Jahr einige kuriose Meldungen hervor bringen. Ausdrücklich beziehe ich hohe Arbeitslosigkeit, Inflation und Deflation, Terrorgefahr, soziale Unruhen, Steuererhöhung, zu hohe Managergehälter und eine zu hohe Staatsverschuldung in meine verschärfte Warnung mit ein!

Feb 27

High hanging fruits

Im Gegensatz zu den ‚Low Hanging Fruits’ befinden sich die ‚High Hanging Fruits’ deutlich höher. Die Bezeichnung hat ihren Ursprung in der Unternehmenslehre und die Höhe der Früchte signalisiert den zu leistenden Aufwand bei der Ernte. Unten hängen die leicht zu erntenten, eventuell nicht ganz so süßen und saftigen Früchte, wie sie weiter oben zu finden sind. In den letzten Jahren ist nun eine klare Tendenz in Richtung zu den ‚Low Hanging Fruits’ zu erkennen. Und zwar in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur in der Wirtschaft.

Es geht darum, möglichst schnell – ohne großen Aufwand – zu Ergebnissen zu kommen. Nicht umsonst gibt es in der Industrie die Bezeichnung Ergebnisorientierung. Beim Outsourcing stellen die billigeren Arbeitskräfte die verlockenden, vermeintlich tief hängenden Früchte dar. Viele Unternehmen stellten die Grundlagenforschung ganz ein – viel zu anstrengend, viel zu weit oben im Baum.

Eine andere überreife Frucht ergibt sich aus dem Portfoliomanagement. Unternehmen konzentrieren sich mit ihren Aktionen auf die Bereiche, die die höchsten Margen erzielen und stoßen die weniger lukrativen ab. Stellt ein Friseur beispielsweise fest, dass Damen sowohl öfter kommen als auch das üppigere Programm ordern und demzufolge wesentlich mehr Geld im Geschäft lassen, könnte er auf die Idee kommen, den Bereich Herren zu schließen. Wenn mehr auf die Idee kommen, werden Herrenfriseure zum Nichensegment. Was bei den Friseuren mit Marktgesetzen erklärt werden kann, ist in anderen Bereichen nicht so einfach zu erklären und das band zur Illegalität ist auch recht schmal, privat drängelt man sich mal in einer Warteschlange vor, im Sport wird gedopt, Lebensmittelproduzenten kommen öfter mal ins Gerede. Immer mit dem Ziel, schnelle Ergebnisse bei geringem Aufwand. Das schlimme ist, dass man das hat Gefühl, dieses Cherry-Picking wird von der Ausnahme zur Normalität.

Albert Einstein soll einmal gesagt haben, Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil die Ergebnisse sofort sichtbar sind. Gemeint hat er wohl, dass die Entwicklung der Relativitätstheorie wesentlich mehr Aufwand bedeutet und undankbarer ist.

Muss man sich nicht fragen, ob der Sinn des Lebens dieser Jagd nach den reifen Früchten geopfert wird? Aus überlegter, langfristiger und sinnstiftender Planung und Handlung wird hektisches Reagieren, Flickschusterei und Krisenmanagement. Nach Beispielen aus Wirtschaft und Politik muss man heute nicht lange suchen.

Das nächste Mal werde ich wohl etwas nachdenklicher als sonst zum Friseur gehen, so ich noch einen finde kann