Mai 20

Von Quantensprüngen und Superlativen

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – der Printausgabe Nr. 20 / S. 26 – geht es um die Geschichte der Kaffeemaschine: „Der Siegeszug der Kaffeemaschinen“(von Niklas Wirminghaus). Es ist ein sehr interessanter Beitrag, insbesondere da ich Kaffee in allen möglichen Variationen sehr mag und reichlich genieße. Ich mag solche Artikel – eigentlich. Man lernt dabei, dass der schwäbische Küchengerätespezialist WMF die Kaffeemaschine quasi erfunden hat und 1927 die erste ‚Großkaffeemaschine‘ auf den Markt brachte. Damit begann eine neue Ära des Kaffeegenusses. Soweit so gut, nun aber kommst: Das Bild eben der Kaffeemaschine ist beschriftet mit: es sei „… ein Quantensprung in der technischen Entwicklung der maschinellen Kaffeezubereitung.“

Das ist hart! Soso, ein Quantensprung! Es wird eine Metapher aus der Physik verwendet. In der Quantenphysik werden Übergänge von einem quantenmechanischen Zustand in den anderen als Quantensprung bezeichnet. Das ‚Hopsen‘ zwischen den Energieniveaus geht mit einer Abgabe oder Aufnahme von Energie einher. Quantitativ betrachtet beträgt die Energiebilanz den kleinsten nur möglichen Wert, qualitativ ändert sich für sehr kurze Zeit der diskrete Zustand um dann wieder den Ausgangszustand einzunehmen. Laut Wikipedia wurde der Begriff Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt, in einer Zeit, als die traditionelle Physik mit der Quantenphysik um Erklärungsversuche rang und der ganze Bereich eine neue Dimension erreichte. Erstmals wurde eingeräumt, dass neben kontinuierlichen Abläufen in der Natur auch diskrete Zustände und Zustandsänderungen auftreten, aber eben in Bereichen, die nicht wahrnehmbar sind und nur an Modellen (z.B. Bohr) darstellbar sind.

Zurück zur Kaffeemaschine. Der Autor wollte sicher hervorheben, wie bedeutend die Erfindung war. Ärgerlich ist es jedoch, dass Journalisten Worthülsen verwenden, die in einem Zeitalter des inflationären Gebrauchs von Superlativen diesen vermeintlich noch überbieten können. Aber sowohl der Quantensprung als auch andere Superlative scheinen so fest in der Umgangssprache verankert zu sein, dass jede Anmerkung dazu eigentlich aussichtslos erscheint (Bei Amazon gibt es mehr als hundert Bücher mit ‚Quantensprung‘ im Titel – die wenigsten sind Physikbücher). Was hier fehlt, ist ein echter Quantensprung. Aber selbst öffentliche Medien sind vor dieser ‚Superlatitis‘ nicht gefeit, die kündigen seit mehr als 20 Jahren immer den ‚aktuellsten Verkehrsservice‘ an, wobei sich doch die Frage stellt, kann man etwas, was aktuell ist, noch aktueller machen? Wie bitte soll das gehen? Optimalste und idealste Grüße aus den Bergen!