Ökonomen bevorzugen in der Regel einfache Erklärungsmodelle. Noch heute ist das Modell des Homo Economicus – also des stets rational kalkulierenden und zum eigenen Vorteil tendierenden ‚Marktteilnehmers‘ – sowohl in der Lehre als auch in der Wissenschaft weit verbreitet (obwohl der Ansatz lediglich für einige Ausnahmefälle anwendbar ist und die Begrenztheit offensichtlich ist).
Mit einem (aus meiner Sicht) wunderbaren Experiment zeigten die Ökonomen Uri Gneezy und Aldo Rustichini welchen Schaden eine Ökonomisierung im Alltag nehmen kann (im Jahre 2000 veröffentlicht in einem wissenschaftlichen Paper).
Bei dem Experiment geht es um einen Kindergarten in Israel. Der Kindergartenverwaltung ist es ein Dorn im Auge, dass einige der Eltern ihre Kleinen regelmäßig viel zu spät von der Betreuung im Kindergarten abholen. Die Unzufriedenheit bei den Betroffenen des verschleppten Feierabends wuchs und man ersonn eine ‚Strafgebühr‘ in der Hoffnung damit abzuschrecken und die Racker würden fortan rechtzeitig eingesammelt. Was passierte daraufhin? Die Eltern zahlten nun eine Strafe für zu spätes Abholen und erstaunlicherweise stieg die Anzahl der ‚Zuspätabholer‘ (und Strafezahler). Die Strafe bewirkte also genau das Gegenteil. Aber warum? Die Forscher erklärten das Verhalten damit, dass das zuvor schlechte Gewissen nun mit der Strafe wieder rein gewaschen wurde. Als alle Dämme brachen und die Mehrzahl der Eltern sich für das Zahlen der Strafe entschieden, versuchte das Kindergartenmanagement alles wieder zurück zu drehen, also keine Strafe mehr. Was passierte nun? Nichts! Einmal eingerissen änderte sich nichts mehr.
Die Erklärung: soziale Spielregeln basieren auf Gewissen, Vertrauen und zwischenmenschlichen Bindungen. Werden diese Spielregeln nun mit ökonomischen Regeln vermischt, wird das Verhalten legitimiert. Ein Rückgriff auf rein soziale Spielregeln ist so gut wie unmöglich, da das Vertrauen und die Basis zerstört ist.
Ein spannendes Experiment, wie ich finde und man kann das natürlich auf andere Lebensbereiche anwenden (diskutiert im Handelsblatt). Denkt man bspw. an die Bonusdiskussion, kann man sich vorstellen, dass in vielen Organisationen die Leistungsmotivation allein finanziell erfolgt. Das wiederum ist doch bedenklich.