Mai 05

Täglicher Streikbericht

Kommt es mir nur so vor, oder ist es tatsächlich so, dass die Streiklaune in Deutschland deutlich zugenommen hat? Täglich neue Meldungen: Deutsche Bahn (ok, seit 10 Monaten erfolglose Verhandlung macht nervös), Postbank, Sicherheitsdienste (in Berlin wird das Bargeld knapp!), Krankenhaus und nun auch Kindergärten und weitere (Piloten pausieren grad, jedoch kaum aus Einsicht).
Natürlich haben Streiks Auswirkungen auf das tägliche Leben. Das ist ja genau die Idee vom Streik, ohne Auswirkungen wären sie sinnlos. Das kann man gut finden oder nicht (gerade wenn man betroffen ist).
Nun kann man sich fragen ‚Warum auf einmal so viele Streiks?‘ Man kann nur spekulieren. Kann es sein, dass viele das Gefühl haben, dass der Wohlstandszuwachs ungleich verteilt wird? Täglich kann man lesen: Schäuble kann mit höheren Steuereinnahmen rechnen.  Was macht der eigentlich mit dem Geld? Ich glaube, bei detaillierterer Erklärung bzgl. des Verbleibs wären die Begehrlichkeiten seitens der Steuerzahler geringer und die Streiktendenz eventuell weniger ausgeprägt. Ist nur so eine Idee.

Beim Bahnstreik kann man beobachten wie blank die Nerven liegen. Beim Namen Weselsky steigt in Deutschland der gesellschaftliche Blutdruck. Sogar die SPD vergisst ihre Ideale. Frau Nahles plant das Tarifeinheitsgesetz. Da reibt man sich die Augen, war nicht die SPD bisher das Sprachrohr der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Interessen? Aber offensichtlich wittert die SPD nun Kontrollverlust. Interessenvertretung geht eben nur so weit, wie es die SPD gut findet.
Sehr seltsam ist das alles. Ich bin auch oft von Streiks betroffen (vor allem Bahn!) und sicher nicht immer einverstanden mit den Streikwilligen. Was ich aber immer geschätzt habe, ist die Tarifautonomie – also die Ansicht, das die Tarifparteien sich da irgendwie einigen müssen. Und zwar egal wie und das muss man eben auch mal aushalten. Wenn sich Nahles nun jedoch durchsetzt, ist es damit vorbei. Dann gibt es nur noch Kuschelstreiks, also welche, die nicht weh tun. Aber halt, geht damit nicht die Wirksamkeit des Streiks verloren? Ausgerechnet die SPD, die sich doch immer als Aushängeschild der Arbeiterklasse sah. Verkehrte Welt irgendwie, aber bei der SPD wundert man sich ja kaum noch über was.

Mai 29

Kinder an die Macht

Im Moment werden ja viele Kindertagesstätten und Kindergärten bestreikt. Dass in Deutschland gestreikt wird, ist zwar nichts Ungewöhnliches aber gewiss auch nicht alltäglich. Milchbauern streiken für höhere Milchpreise, vergessen dabei aber, dass sie selber mit verantwortlich sind, dass es bei sinkender Nachfrage immer mehr Milch gibt und diese immer abenteuerlicher hergestellt wird. Heutige Milch aus dem Supermarkt wird in der Herstellung derart behandelt, dass sie kaum noch als Milch zu bezeichnen ist. Früher konnte man Milch, falls sie schon sauer war in Schälchen füllen und dann einige Zeit später als Dickmilch genießen. Probiert man das heute, bekommt man eine ungenießbare Suppe und man wundert sich, ob das wohl ursprünglich wirklich mal Milch war. Mit den Bauern muss man also kein Mitleid haben. Sie haben die Herstellung immer weiter optimiert und effizienter gestaltet mit dem Ergebnis, dass sie heute billiger und mehr herstellen, aber das gesunde Image der Milch leidet und die Leute lieber was anderes trinken.
Dass Erzieherinnen streiken indes ist neu und irgendwie für viele auch überraschend. Kinder zählen in Deutschland nicht als systemrelevant – sind quasi unbedeutend.
In einer Krise wird deutlich, was einer Gesellschaft wichtig ist. Da die Regierung für die Rettung von Banken mehrere Milliarden spendiert, für die Erziehung unserer Kinder jedoch kaum bereit ist, mehr Geld in die Hand zu nehmen, kann man konstatieren, Banken sind wichtiger als der Nachwuchs. Oder anders ausgedrückt, die Zukunft Deutschland wird gerade verzockt. Der Nachwuchs jedoch bedeutet unsere Zukunft!
Warum gibt es keine Millionen-Boni für Kindergärtner und Kindergärtnerinnen und welchen Beitrag leistet ein Banker für die Zukunft von Deutschland? Ich glaube, es braucht sich niemand wundern, wenn Deutschland altert. Wir tuen alles für den Wohlstand und vergessen dabei die Zukunft. Solange die Renten in Deutschland staatlich gesicher sind, Kinder aber privates Risiko bedeuten, sollte sich niemand wundern, dass wir langsam aussterben. Statistiker gehen davon aus, dass in ein paar Jahren die Anzahl der Neueinschulungen um bis zu 25% zurück geht. 25% weniger Kinder in der Schule bedeuten mindestens 25% weniger Studenten und Fachkräfte und hoffentlich dann auch irgendwann 25% weniger Bankkunden. Ironie des Schicksals wäre es, wenn die Rendite der Deutschen Bank dann auch um 25% zurückgeht.