In einem Buch (Millier: Auf dem Prüfstand, 2008, S.24) habe ich von einer Untersuchung zur Innovationstätigkeit erfahren. Das Buch ist recht gut, vielleicht etwas verworren geschrieben, aber die Untersuchung hat mich fast umgehauen.
Es geht um Folgendes: Die Umsätze der Unternehmen des CAC40 – das französische Pendant zum DAX – sind im Zeitraum von 1995 bis 2003 um 10 Prozent pro Jahr gestiegen. Sie legten von €419 Mrd auf €910 Mrd zu. Das ist beachtlich! Die Überraschung kommt aber, wenn man sich genauer anschaut, wie sich dieses Wachstum zusammensetzt. 57 Prozent sind ‚erkauft‘, also durch Fusionen und Akqisitionen in die Bilanz gerutscht (5,4 % jährlich). Weitere 29,5 prozent sind durch internationale Expansion zu erklären, das sind 3,1% pro Jahr. 12 Prozent sind auf Preiserhöhungen zurück zu führen, was jährlich zu 1, 4 % beiträgt. Nun bleiben genau 1,5 Prozent übrig, was einer jährlichen Rate von 0,2 % entspricht. Das entspricht dem organischen Wachstum, also der Erneuerungstätigkeit und Innovationstätigkeit der großen Firmen. Das ist ein Schock! Continue reading
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Laubbläser
Ein sicheres Anzeichen für den beginnenden Herbst ist, wenn diese fürchterlichen Laubbläser in Scharen um die Häuser ziehen und stundenlang brrrr, brrrr, brrrr einen Höllenlärm machen. Das Gerät ist funktionell ziemlicher Murks. Die Anwender selbiger Geräte sind mit großer Wahrscheinlichkeit der Profi-Hausmeister-Fraktion zuzuordnen oder sind selber Haus- oder Gartenbesitzer. Ursache des Wahnsinns ist wieder einmal – wie so oft – die Natur. Die hat festgelegt, dass im Herbst die Blätter der Laubbäume nicht mehr gebraucht werden und einfach abzuwerfen sind. Ex und Hopp quasi -das Prinzip kennen wir Menschen ja aus verschiedenen Kontexten. In einer Mischung aus Pflichterfüllung, Gruppenzwang und Ordnungsliebe bemühen sich Menschen – in dem Falle überwiegend die Hausmeister – darum, die Spuren, also das Laub verschwinden zu lassen. Früher war das Handarbeit und wurde zum Teil auch recht gründlich betrieben. Die welken Blätter wurden zusammengerecht (Anmerkung: Rechen oder Laubbesen sind die Geräte, mit denen man ohne Geräusch und emissionsarm Blätter bewegen kann) und dann entweder zum Komposthaufen transportiert oder in großen Säcken abtransportiert. Vor der Aufrüstung in der Vorstadtsiedlung war das eine ganz normale Sache. Irgendwann muss dann wohl einer der Gartengerätehersteller auf die sinnige Idee gekommen sein, für verspielte Hobbygärtner und gestresste Hausmeister ein neues Spielzeug zu entwickeln. Verblüffend ist der Erfolg insofern, da die Geräte – vom Spaßfaktor für die Anwender mal abgesehen – nahezu wirkungslos sind und nur die Umwelt terrorisieren. Fast täglich kann ich das nun beobachten: Mit viel Lärm wirbeln die Laubhelden das Blattwerk auf und versuchen mit dem Luftstrahl dem ganzen eine Richtung zu verleihen. Ein lächerliches Schauspiel. Wege und Rasenflächen sind dann irgendwie zwar laubfrei, aber diese befinden sich nun sonstwo – im Idealfall beim Nachbarn. Der Nachbar hat technisch nachgezogen und ist nun auch in der Lage, das bunte Zeug vor sich herzutreiben – was er auch mit einer beneidenswerten Eloquenz betreibt.
So nervig dieses Schauspiel auch ist, ich überlege mir, ob man dieses Phänomen als Zeitgeist bezeichenen könnte. Manifestiert sich so die Oberflächlichkeit und Technisierung des kleinen Mannes? Aus der Politik kennen wir das, Schein ist wichtiger als Sein. Sympthome werden behandelt statt Probleme gründlich zu lösen. Was weiterhin auffällt ist, dass wir Menschen glauben, die meisten Probleme irgendwie durch Technik lösen zu können. Energiekrise? Klimawandel? Kein Problem, das CO2 kann man doch in der Erde speichern. Wäre es nicht einfacher, Energie zu sparen? Das Gesundheitssystem kollabiert, obwohl ein Mehr an Bewegung Wunder bewirken würde. Deutschland fehlen die Kinder für die Zukunft und die UNO empfiehlt mehr Einwanderung. Hallo? Wie wäre es mit einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, in der weniger das Geld, sondern mehr die Kinder im Mittelpunkt stehen?
Ja, es ist der Geist der Zeit. Die Menschheit wird Sklave der Beschleunigung. Das fängt bei den Laubbläsern an und hört bei Gesundheits- und Familienpolitik auf.
Das Wasserhahn-Dilemma
Es ist ein Wahnsinn. Händewaschen ist ja eine Routinetätigkeit. Nach der Benutzung der Toilette oder überhaupt einfach mal so Händewaschen kann man immer mal. Schadet nicht im Gegenteil, jetzt zu Zeiten der Schweinegrippe soll es ja Wunder wirken.
Auffällig ist, dass in den letzten Jahren die Vielfalt bei den Wasserhähnen quasi explodiert ist. Was früher einfach war Hahn aufdrehen, Hände einseifen, abspülen und Hahn zudrehen – kann heute schnell zur Tortur werden. Vereinzelt gibt es noch die traditionellen Wasserhähne zum drehen. Einhebelmischer sind inzwischen auch weit verbreitet. Hebel für kalt und warm getrennt gibt es zusätzlich noch. Der Vielfalt sind quasi keine Grenzen gesetzt. Ich stand schon an einem Waschbecken mit eingeseiften Händen und habe vergeblich versucht, den Wasserhahn zu öffnen. Besonders absurd sind die Wasserhähne mit Bewegungssensor. Ich erlebe es kaum auf öffentlichen Toiletten, dass diese auf Anhieb funktionieren. Häufig sieht man jedoch Anwender, die mit ihren Händen im Becken rumfuchteln und versuchen, irgendwie das Wasser zum laufen zu bringen. Ziemlich absurd wie ich finde. Mir ist bis jetzt noch kein vernünftiger Grund eingefallen, warum ein Wasserhahn bewegungslos funktionieren sollte. Möglich wäre, dass Betreiber verhindern wollen, dass vergessen wird den Wasserhahn vollständig nach der Benutzung – zuzudrehen. Das ist in der Tat ärgerlich und falls das der Grund sein sollte, würde ich in jedem Fall die Version vorziehen, bei der mechanisch die Laufzeit zeitlich begrenzt ist. Ärgerlich ist es in jedem Fall. Ich mag ja prinzipiell den technischen Fortschritt. Furchtbar finde ich jedoch, wenn Neuerungen nicht zuverlässig funktionieren bzw. unzuverlässiger sind als zuvor. Innovationen sollten nie einfache Sachen verkomplizieren, was jedoch viel zu oft passiert. Der berührungslose Wasserhahn ist eine Pseudo-Innovation. Seitdem es sie gibt, lerne ich die normalen Wasserhähne zu lieben. Eine andere Geschichte ist es, die Hände wieder trocken zu bekommen. Man ahnt es, es ist nicht mehr so einfach wie früher. Das wäre aber schon fast die nächste Kolumne.
Fortschritt im Büro
Durch Neuerungen im Bereich des Internet und der Kommunikationstechnik spüren wir den technischen Fortschritt besonders intensiv. Es vergeht kaum eine Woche, da nicht neue Möglichkeiten und Anwendungen bekannt werden. Die Zeit, in der man ständig online sein kann – falls man will – , hat mit Apples iPhone und Flatrate-Tarifen begonnen. Heute bekommt man schon relativ günstig einen UMTS Anschluß mit Flatrate. Damit kann man mit einem Laptop oder Netbook nicht nur ständig online sein sondern quasi auch überall (zumindest in Deutschland). Das ist die logische Erweiterung von der Kabelverbindung über die WLAN-Verbindung hin zur drahtlosen Überall-Verbindung.
Was an der neuen Dynamik auffällt ist, dass es nicht wie in früheren Jahren vom Bereich der Unternehmenskommunikation – also lapidar gesprochen ‚im Büro‘ – voran getrieben wird. Im Gegenteil, Unternehmen werden gerade überrannt von den neuen Möglichkeiten und wissen teilweise nicht, wie sie damit umgehen sollen.
Ich kann mich an Zeiten erinnern, da war das technische Niveau in Unternehmen in der Regel höher als im Privatbereich. Schnellere Rechner, mehr Speicher, bessere Drucker, Internet und gute Software und dann ein Handy. Irgendwann in den letzten Jahren hat sich das jedoch komplett gewandelt. Aus dem Privatbereich kommen die Neuerungen und erschwingliche Hardware und Software beschleunigen diesen Trend sogar noch. Die Frage, ob man privat in der Firma surfen darf, wird sich bald erübrigt haben, da das surfen über ein persönliches Gerät nicht überwacht werden kann. Firmen überlegen noch, wie sie mit Wikipedia, Youtube und den vielen sozialen Netzwerken umgehen sollen und wie man sowas in bestehende Infrastrukturen integrieren kann. Unterdessen geht die Entwicklung rasant weiter. Es wird die Zeit kommen, da man mitleidig über die veraltete Technik der Firma lächelt. Man wird als Anwender irgendwann mal vor der Entscheidung stehen, ob man für eindeutig betriebliche Aufgaben besser das private Equipment nutzen sollte – entweder weil es wesentlich einfacher damit geht oder damit es überhaupt geht. Ich gehe davon aus, den meisten Firmen ist dieses Dilemma im Moment noch nicht bewußt. Aber wenn plötzlich Diensthandys nicht mehr privat genutzt werden, sollte man sich schon mal fragen: Warum?