Siemens und die Innovation AG

„Siemens ist nicht innovativ genug“ (Handelsblatt, 9. Dezember 2015)

Das an sich ist keine Neuigkeit, eigentlich wissen es sogar die meisten (Siemensianer und Beobachter). Nun steht es jedoch in der Zeitung – schwarz auf weiß. Und das ist dann doch neu, bedenkt man, dass Siemens vor einigen Jahren noch als Hightech-Konzern bezeichnet wurde. Heute läuft man der Konkurrenz hinterher und möchte endlich wieder aufschließen – ausgerechnet mit Innovationen!2015-12-13 19_22_05

Das kann nur schiefgehen. Warum? Ein Erklärungsversuch:

Siegfried Russwurm ist Technikvorstand bei Siemens. Und er sagte letzte Woche „Die Zeit der Tüftler, die im stillen Kämmerlein Ideen für die Zukunft entwickeln, ist vorbei.“ Wow, große Worte, vom Technikvorstand einer Firma, die eben eingeräumt hat, dass es auf dem Gebiet Nachholbedarf gibt. Man weiß also, wie es NICHT geht, ohne genau zu wissen, wie es geht. Natürlich kommen solche Sätze ohne Begründung. Warum auch? Als Vorstand bei Siemens reichen Thesen – ggf. legt man noch die Krawatte ab (wie es Hr. Kaeser und Hr. Russwurm bei der Vorstellung der Innovation AG taten!). Wüsste er, dass Ideen IMMER in einem Kopf entstehen und das viele Wege zu mehr Innovationen führen, würde er so etwas nicht behaupten. Vor allem, wenn man gerade im Umfeld von Startups versucht, deren Mentalität auf Siemens zu übertragen. Startups funktionieren in der Regel genauso, dass Tüftler (im stillen Kämmerlein – oder wo auch immer) Ideen für die Zukunft entwickeln.
Nun gründet Siemens eine Innovation AG und möchte Startup-Luft atmen, um jedoch genau in dem Moment zu behaupten, dass das so wie die Startups Ideen entwickeln, vorbei ist. Na dann, das wird eine gute Zusammenarbeit. Ist das Arroganz oder Ahnungslosigkeit? Beides hilft wenig, wenn man innovativer werden möchte.

Nehmen wir bspw. mal Tesla: Elon Musk hatte die Idee für emotionale eCars vor einigen Jahren ( und zwar im stillen Kämmerlein!). Er hat es auch geschafft, aus dieser Idee eine große Firma aufzubauen und attraktive Fahrzeuge zu entwickeln und zu verkaufen. Wer schon mal mit dem Tesla Model S gefahren ist (siehe Fotos) und die Entwicklungen auf dem Gebiet des autonomen Fahrens verfolgt, bekommt eine Vorstellung von erfolgreichen Innovationen. Warum schafft Siemens sowas nicht wo doch Elektronik und Elektrotechnik die Firma ausmachen?  Die Ideen für Elektroautos gab es auch bei Siemens und es floß seit Jahren viel Geld in eCar-Projekte. Ergebnisse? Man hat einen Ladestecker entwickelt, eine Ladesäule (die sich aber schleppend verkauft) und entwickelt an einer Plattform.

Auf der Siemens-Homepage findet man folgenden Hinweis (bei Beispiele unserer täglichen Arbeit):

Andre Marek, New Technology Fields, München

»Am Beispiel des eCars forsche ich an smarten, fehlersicheren und hochverfügbaren Systemarchitekturen. So entwickle ich heute Verfahren, um die Konzepte von morgen realisieren zu können.«

Das wars! Da wo Elon Musk seine Idee wie ein Hochseekapitän vorantreibt, blockieren bei Siemens zahlreiche Schlauchbootkapitäne den ganz großen Wurf. Zu riskant, zu wenig Budget … ich habe sie im Ohr, die ganzen Gründe die DAGEGEN sprechen. Nur wenige der Akteure haben Argumente DAFÜR. Kurz und knapp gesagt, es fehlt ein Elon Musk bei Siemens, aber warum sollte der zu Siemens gehen?

Nun will man also bei Siemens Startups gründen und kaufen – und so das Innovationsproblem richtig angehen. Den Geist der Gründerszene aufnehmen quasi. Blicken wir zurück: vor über 100 Jahren gründete Siemens eine zentrale Forschungseinrichtung (ZFE, später CT – Corporate Technology) mit der Mission, Ideen und Innovationen voran zu treiben, insbesondere solche, die in den operativen Bereichen keinen ‚Platz‘ haben (zu neu oder fachlich nicht genau passend). Im laufe der Jahre blähte sich der Bereich immer weiter auf – von einigen hundert auf bis zu über fünftausend in Jahr 2014 (7800 in 2015). Was machen die alle? Der anfangs vorhandene freie Geist ging über die Jahre verloren. Immer mehr Manager und immer weniger Forscher führten zum innovativen Stillstand. Immer öfter ging es um Zahlen statt um Ideen. Eigene Ideen gibt es kaum noch. Der Erfolg misst sich in der Beauftragungen durch die Bereiche. Das ist gut fürs Management aber fatal für Innovationen. Da ich lange Zeit selber bei CT gearbeitet habe und ‚betroffen‘ war, kann ich das beurteilen. Einer meiner Chefs sagte einmal: „Erst müssen die Zahlen stimmen, dann kann man über Innovationen nachdenken.“ Genau diese Einstellung ist weit verbreitet, aber sie blockiert eben Innovationen.

Startups würden sicher eine zeitlang Innovationen fördern, bis die Manager wieder eingreifen und dafür sorgen, dass Fachexpertise respektive Ideen im Vergleich im Kleingeist des Managements untergeht. Hr. Russwurm hätte dann recht gehabt, aber Siemens hätte immer noch das Innovationsproblem.

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