Jul 21

Erstaunliche Experimente (1): … über besserwissende Chefs

Ein Ökonom der Universität Zürich hat das folgende Experiment durchgeführt:

Fünfhundert Studenten sollten im Labor Entscheidungssituationen in Unternehmen nachspielen und die Ergebnisse sind – wie ich meine – recht interessant. Die eine Hälfte wurde zu Führungskräften ‚ernannt‘, die andere Hälfte wurden ganz normale Mitarbeiter. Jeweils in Zweierteams sollte aus einem Angebot von 36 imaginären Projekten das Eine – möglichst lukrative, mit dem man viel Geld verdienen kann – ausgewählt werden. Zu Beginn war die Informationslage sehr dünn, beide – sowohl Chef als auch Mitarbeiter  – wussten gleich wenig, eigentlich nichts. Beide konnten jedoch, zusammen oder jeder für sich, Informationen ‚kaufen‘ oder auf gut Glück Projekte auswählen. Klar war beiden, das letzte Wort sollte der Chef haben. Diese Praxis kennen wir ja zur Genüge aus dem Unternehmensalltag. Die Forscher beobachteten über Stunden das Vorgehen der Paarungen. Das Erstaunliche – obwohl, wer ahnte sowas nicht schon – ist nun, dass im 30 Prozent Gewinn verloren ging und man das sehr präzise auf den autoritären Führungsstil zurückführen kann. Die Mitarbeiter hatten überwiegend viel Geld investiert um an Informationen über die Projekte zu kommen, sie lernten jedoch schnell, dass sich das Engagement kaum lohnte. Die Chefs lagen jedoch einfach mit ihren Entscheidungen viel zu oft daneben. Die bessere Lösung wäre zweifelsfrei eine Delegation oder Zusammenarbeit gewesen. Offenbar steht aber der Erhalt der Macht im Vordergrund. Man kann also folgern, dass die Erhaltung der Macht von Chefs die Formen richtig viel Geld kostet. Vorschläge zur Verbesserung schlägt die Studie leider nicht vor, dabei wäre es ganz einfach: bessere Chefs auswählen. In der Regel setzen sich die Machtversessene und Ellenbogentypen durch. Genau dieses Muster sollte doch zu durchbrechen sein.

Aber so bleibt jedes Unternehmen genau das, was es verdient hat.

Quelle: Handelsblatt 15.07.2013, S.12

Jun 13

Womit wir uns so beschäftigen …

In einer Diskussion mit Freunden war plötzlich ein Thema im Fokus, was uns ja alle irgendwie betrifft. Womit beschäftigen wir uns bei unserer Tätigkeit in den Büros, den Unternehmen oder allgemein den Organisationen? In der Art der Tätigkeit mag es ja enorme Unterschiede geben: Lesen, recherchieren, analysieren, buchen, abheften, lochen, abheften, sortieren, abtippen, formulieren, gestalten, konzipieren, kommunizieren und so weiter und so fort. Es ist unüberschaubar und das Spektrum ist vielfältig. Wenn man an dieser Stelle gedanklich kurz innehält (um dann wieder lossprinten zu können) kann man bemerken, dass der Organisation dieser Tätigkeiten wohl eine größere Bedeutung zukommt, als man zunächst vielleicht annehmen möchte. Erst lochen und dann abheften ist noch einfach, sobald jedoch andere Menschen involviert sind, kann es schnell kompliziert werden. Einbinden (also andere Personen gedanklich einbinden), informieren (über irgendetwas, meistens banales Zeug), abstimmen (z. B. das gemeinsame Vorgehen in einer bestimmten Sache), bestätigen (ist immer gut), entscheiden (gibt es auch immer was, auch keine Entscheidung ist ja eine Entscheidung, sagt man) und vor allem Entscheidungen vorbereiten (also alles zusammentragen, was notwendig ist, damit ein erfahrener Wirtschaftskapitän dann seine Entscheidungen fällen kann) sind heutzutage die typischen Tätigkeiten in den Büros. Und es gilt sie zu managen.

Wenn man sich nun vorstellt, man hat auf der einen Seite einen Block an auszuführenden Tätigkeiten und auf der anderen Seite eine ‚Mannschaft‘ (Manager sprechen gerne von ‚ihren‘ Leuten), die diese Aufgaben abarbeiten und bewältigen. Wie organisiert man diese Arbeit? Aus dem was ich so erlebe und beobachte kam ich zu folgender These: Manager kümmern sich immer weniger um Inhalte, wollen aber entscheiden. Das macht es schwierig, da man kommunikativ entsprechend aufrüsten muss. Das bedeutet weiter, der Anteil der Arbeit, der für die Kommunikation (Reporting, Entscheidungsvorlagen etc.) aufgewendet wird, wird überproportional steigen. Andererseits sind Unternehmen bestrebt, immer bessere (also intelligentere, fähigere) Leute einzustellen.

Wird das irgendwann dazu führen, dass immer schlauere Leute mit immer trivialerem Zeug beschäftigt werden? Potentiale liegen brach und der Grad der Frustration steigt?

In der Diskussion waren wir uns jedenfalls einig, dass in den letzten Jahren sowohl die Banalisierung als auch die Frustration unter beschäftigten zugenommen hat. Was wäre ein Ausweg? Es mag hochspekulativ sein, aber vielleicht wäre ein Ausweg: weniger Powerpoint und mehr sachlich, fachlich, inhaltlicher Diskurs?

Mrz 29

Und ab morgen alles ohne Chef …

Führungskräfte mag kaum jemand und sie machen es einem auch nicht einfach sie zu mögen. Zunächst ein paar ‚Fakten‘, entnommen einer Umfrage (n = 2411) des Online-Karriereportals Monster:

  • über 75% der Umfrageteilnehmer haben so wenig Vertrauen in ihren Chef, dass sie ihn, wenn es die Möglichkeit dazu gäbe, abwählen würden.
  • Knapp ein Drittel der Befragten (30%) würde sich in diesem Zuge selbst zum Chef wählen;
  • 25% gaben an, dass ein Kollegen den Posten übernehmen sollte.
  • 21% würden keine dieser Optionen wählen und auf einen neuen Kandidaten hoffen.
  • die Mexikaner haben das höchste Selbstvertrauen: 46% von ihnen gaben an, selber die Rolle des Chefs übernehmen zu wollen
  • In Europa herrscht dagegen keine so große Selbstsicherheit – nur 28% würden für sich selbst stimmen
  • Lediglich in Frankreich würden sich 45% selbst gerne im Chefsessel sehen.
  • Was die Bevorzugung eines Kollegen angeht, gehören US-amerikanische Beschäftigte zu den kollegialsten. 27% glauben, dass ein Kollege einen besseren Job machen würde als ihr derzeitiger Chef.

Ganz ohne Chef können es sich wohl die Wenigsten vorstellen. Ein hoher Anteil würde sich ja selbst zum Chef machen  (30%). Das signalisiert Selbstvertrauen und steht für die Kritik und den Wunsch, es besser machen zu wollen oder zu können. Aber ist das Konzept ‚Chef‘ überhaupt noch zeitgemäß? Ich habe so meine Zweifel. Es lebt wohl eher von der Tradition. Als die Welt noch simple war und man sich als Chef seiner Rolle durch Wissens- und Informationsvorsprung sicher sein konnte, traf das zu. Heute ist dieser Zusammenhang nicht mehr unbedingt gegeben. Nicht selten stehen heute Organisationen vor dem Problem, dass Chefs zunächst ’schlau gemacht werden müssen‘ damit sie überhaupt entscheiden können. In Management-tauglichen PowerPoint Foliensätzen werden dann Enstscheidungsvorlagen erstellt. Man hat dann das Gefühl, dass genau dieser Foliensatz zum Dreh- und Angelpunkt für die Beurteilung von Kompetenz und die daraus evtl. resultierende Anerkennung erhoben wird. Das ist ziemlich absurd, fällt jedoch kaum auf. Wäre es nicht besser, wenn man sich den Weg über den Chef ganz spart und gleich selbst entscheidet? Effizienter wäre es doch, den Wissenstransfer so zu gestalten, dass nicht die großen Wissensdeltas sonder eher die kleinen Wissensdeltas vermittelt werden. In der Praxis wäre das wohl in der Mehrzahl dann von der Führungskraft zum Mitarbeiter.

Nun könnte man ja argumentieren, dass Chefs nicht zwangsläufig schlauer, intelligenter und mit mehr Wissen ausgestattet sein müssen als die Mitarbeiter. Das mag sein, aber woraus resultiert dann heute deren Daseinsberechtigung? Das ist oftmals nicht einfach zu erkennen. Bei Raumschiff Enterprice war Kirk auch nicht der smarteste der Besatzung. Spok, McCoy und Scotty waren Spezialisten, aber Kirk konnte inspirieren und integrieren und er hatte die Visionen. Aber können Chefs damit punkten? Die Statistik sagt ‚Nein‘. Also wäre es nun an der Zeit, es mal ganz ohne Chef zu probieren. Mit Gary Hamel gibt es auch einen bedeutenden Unterstützer (‚Das Ende des Managements‘). Er argumentiert, dass es vor allem die Chefs selber sind, die sich für unverzichtbar halten und in ihrem Streben nach Bedeutung immer weitere Hierarchieebenen aufbauen und damit die Organisation träge machen. Dass Organisationen ohne Chefs nicht in Anarchie versinken, beweisen viele Beispiele. Die ‚Zeit‘ berichtet in ihrer neuesten Ausgabe von einem recht erfolgreichen Unternehmen aus Berlin – partake (Ausgabe 14/ S.69). Spannende Geschichte und irgendwie auch ziemlich cool.

Mrz 23

Die Multitasking Falle

Man hatte zwar schon immer so ein komisches Gefühl, aber nun scheint es erwiesen zu sein. Der Versuch, viele Sachen gleichzeitig zu machen – also im Multitasking-Mode – zu arbeiten oder zu agieren, lässt die Produktivität sinken.
In einem Versuch wurde das Verhalten von Büroangestellten untersucht. Exemplarisch sind zwei Beispiele aufgeführt:Sketch 2013-03-23 Multitasking

Links ist das Tätigkeitsprofil eines konzentriert arbeitenden Angestellten, rechts ein ‚Multitasker‘. Deutlich zu erkennen ist, dass Multitasking eigentlich Tätigkeitswechsel bedeutet (277 zu 496). Bei jedem Wechsel muss neu eingestiegen werden. Und dieses ein- und aussteigen drückt die Produktivität (85% zu 33%, wobei hier lediglich die Arbeit und nicht das Ergebnis gewertet werden kann). Wenig überraschend ist indes die Tatsache, dass die Multitasker sich und ihre Fähigkeiten erheblich überschätzen.

Neben der geringeren Produktivität der Multitasker steigt wohl auch die Fehlerhäufigkeit. Wer kennt sie nicht, die Servicekräfte die ausgerüstet mit einem Headset versuchen, gleichzeitig zu bedienen, zu beraten und noch über das Headset kommunizieren. Hier ist besondere Aufmerksamkeit geboten, man wird entweder sein Anliegen mehrfach wiederholen müssen oder wird gar nicht bedient oder wird gefragt ‚Sammeln Sie Punkte?‘ (oder wahlweise Herzen, Treupunkte …) obwohl man noch gar nicht bezahlt hat usw.
Ich hoffe, es spricht sich rum – auch im Management, dass konzentriertes Arbeiten im Vergleich zur Gschaftlhuberei nichts Schlimmes ist.

(Quelle: Auf einen Blick, HBM April 2013, S.22-23)

Mrz 15

„Spaß beiseite“

Jeder hat es schon einmal erlebt: Irgend jemand sagt „Spaß beiseite“.
Der harmlose Fall erwächst aus einer Eltern-Kind-Situation, wenn es die kleinen Racker etwas zu bunt getrieben haben und das erziehende „Spaß beiseite“ soll wohl signalisieren, ‚jetzt ist endgültig Schluß mit [der Rumalberei, wahlweise ersetzen mit anderen Tollereien]‘ und somit wird Ernsthaftigkeit eingefordert für nachfolgend anspruchsvollere Aufgaben oder einfach nur zur Risikominimierung, bspw. beim Essen oder so.
Der andere Fall hingegen ist eher peinlich: Es hält jemand eine Rede und mitten im monotonen Redefluß … das Publikum hat sich schon mit eigenen Gedanken angefreundet … kommt es wie eine Peitsche: „Spaß beiseite“. Jetzt wissen alle, dass etwas schwach humoriges voran ging. Erst kürzlich habe ich es wieder in einer Moderation miterlebt und seit dem grüble ich, warum sich jemand wohl so leichtfertig disqualifiziert. Denn sind wir ehrlich, es ist einfach nur grotesk. Falls etwas wirklich lustig ist, kann man nach dem Lachen die Rede fortsetzen. In weniger lustigen Situationen sollte man nicht noch darauf hinweisen, dass der Witz nun wirklich krepiert ist.
Ich werde das „Spaß beiseite“ Phänomen mal weiter verfolgen und ggf. über neue Anwendungen oder Entwicklungen berichten. Solange kann ich nur den Vortrag von Sir Ken Robinson empfehlen, er war und ist Vorbild für mich:

Mrz 11

Das Leben

Es gibt ja immer weniger Dinge im Leben, auf die man sich richtig verlassen kann. Das Leben selber – und das ist sicher – ist kurz und endlich. Zweifellos aber sehr schön. Ich denke, man sollte immer versuchen, dem täglichen Trott zu entfliehen. Das ist nicht einfach, aber machbar. Es gibt ein Gedicht, wahrscheinlich von Jorge Lois Borges, dass mich immer wieder fasziniert und recht deutlich ausdrückt, was ich meine:

Augenblicke

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
im nächsten Leben würde ich versuchen,
mehr Fehler zu machen.

Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter als ich gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde nicht so gesund leben.
Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen,
Sonnenuntergänge betrachten, mehr Bergsteigen,
mehr in Flüssen schwimmen.

Ich war einer dieser klugen Menschen,
die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten.
Freilich hatte ich auch Momente der Freude.

Aber wenn ich noch einmal anfangen könnte,
würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls Du es noch nicht weißt, aus diesen besteht nämlich das Leben.
Nur aus Augenblicken.
Vergiss nicht den jetzigen.

Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an
bis in den Spätsommer barfuß gehen.
Und ich würde mehr mit Kindern spielen,
wenn ich das Leben noch vor mir hätte.

Aber sehen Sie …
ich bin 85 Jahre alt und weiß,
dass ich bald sterben werde …

Zum Glück bin ich noch nicht 85 und es gibt noch viele Gelegenheiten dafür, etwas zu unternehmen, damit man mit 85 Jahren nicht bedauern muss, sein Leben mit zu vielen Banalitäten vergeudet zu haben.

Feb 25

Einfach mal mit Freunden essen gehen

Handys

Eine tolle Idee wie ich finde. Ruhepausen kann man erzwingen. Dabei kann man sich ja dann unterhalten, einfach so. Manche kennen das Prinzip ja noch.

Wenn man zur Zeit U-Bahn fährt, kann man genau das Gegenteil beobachten. Die meisten starren in ihre Mobilgeräte. Das ist unheimlich. Warum nicht einfach mal mit Freunden essen gehen?

Jan 08

Verlernen zu innovieren

In einem Buch (Millier: Auf dem Prüfstand, 2008, S.24) habe ich von einer Untersuchung zur Innovationstätigkeit erfahren. Das Buch ist recht gut, vielleicht etwas verworren geschrieben, aber die Untersuchung hat mich fast umgehauen.
Es geht um Folgendes: Die Umsätze der Unternehmen des CAC40 – das französische Pendant zum DAX – sind im Zeitraum von 1995 bis 2003 um 10 Prozent pro Jahr gestiegen. Sie legten von €419 Mrd auf €910 Mrd zu. Das ist beachtlich! Die Überraschung kommt aber, wenn man sich genauer anschaut, wie sich dieses Wachstum zusammensetzt. 57 Prozent sind ‚erkauft‘, also durch Fusionen und Akqisitionen in die Bilanz gerutscht (5,4 % jährlich). Weitere 29,5 prozent sind durch internationale Expansion zu erklären, das sind 3,1% pro Jahr. 12 Prozent sind auf Preiserhöhungen zurück zu führen, was jährlich zu 1, 4 % beiträgt. Nun bleiben genau 1,5 Prozent übrig, was einer jährlichen Rate von 0,2 % entspricht. Das entspricht dem organischen Wachstum, also der Erneuerungstätigkeit und Innovationstätigkeit der großen Firmen. Das ist ein Schock! Continue reading

Dez 14

Weihnachtsstress

Obwohl man sich zur Weihnachtszeit ja eine ‚besinnliche Zeit‘ wünscht, ist es für viele die stressigste Zeit des Jahres. Anfang Dezember nimmt man sich vor ‚Dieses Jahr schenken wir uns nichts‘ um dann spätestens doch Mitte Dezember dem allgemeinen, glühweingetränkten Weihnachtstaumel nachzugeben. Das äußert sich dann in der Regel darin, dass man sich doch Gedanken macht, was wohl ein gutes und passendes Geschenk für die engsten Bekannten und Verwandten sei. Was genau ist ein gutes Geschenk? Gibt es so etwas wie ein ideales Geschenk? Continue reading