Ein Artikel im Handelsblatt hat mich diese Woche erst zum nachdenken und dann zum Kopfschütteln gebracht. Titel: „Mehr Platz für Querdenker“ (in der Wochenendausgabe 1./2./3. August S.52/ S.53 oder als Bezahlinhalt online). Ein Lehrer würde sicher der Autorin – Stefani Hergert – attestieren ‚Sie hat sich bemüht!‘. Und tatsächlich ist der Artikel recht nett zu lesen, vorausgesetzt man versteht nichts von Innovationen. Es lässt sich etwa so zusammenfassen: ‚Früher war alles schwierig, heute haben jedoch viele Unternehmen Innovationsmanager und Zentraleinheiten, die kümmern sich um Ideen, Kultur und das ganze drumrum.‘ Natürlich kommen reichlich ‚Experten‘ zu Wort: ‚Heute haben viel mehr Unternehmen als noch vor zehn Jahren spezielle Teams, die sich um Innovationen kümmern.‘ lässt uns Linus Dahlander wissen. Accenture (die Berater, die Innovationen sonst meiden wie der Teufel das Weihwasser) kommt auch zu Wort: „Ein Mangel an Innovationskraft trägt dazu bei, dass Unternehmen gewisse Trends verschlafen.“ Nach dem Lesen der ersten Spalte habe ich schon Ohrensausen. Wie hängen noch mal Innovationskraft und Trends zusammen? Soso, die Fähigkeit, Neues zu erschaffen bzw. der Mangel daran sorgt dafür, dass man externe Entwicklungen (Trends) verschläft. Der Begriff Querdenker kommt außer in der Überschrift sonst im Text nicht mehr vor, statt dessen werden wohl die Innovationsmanager als die Querdenker angesehen. Steile These! Ich kenne einige wenige Querdenker und einige Innovationsmanager, die Schnittmenge ist jedoch NULL. Aber das geht im romantischen Innovations- und Querdenkerbestreben direkt unter.
„Die eigenen Leute einzubringen, sei wichtiger geworden.“ weiß die Deutsche Bank zu berichten. „In einer Datenbank können Mitarbeiter Vorschläge eingeben, wird eine für gut befunden, gibt es eine Prämie.“ Das klingt zwar wahnsinnig ausgebufft, ist jedoch der Stand der frühen 80er Jahre und seit dem wenig erfolgreich. Den Vogel schießt jedoch die Telekom ab, die mit sogenannten MOOC (sonst aus der universitären Lehre bekannt) die „Megatrends der Zukunft erforschen“ wollen. Wenn es nur so einfach wäre, Technik und Prozesse können in der Regel kaum die Blutleere in den Chefetagen ausgleichen. Bei der Hypo-Vereinsbank hat wohl ein Mitarbeiter mal einen Vorschlag in der Art ‚mehr Englisch im Service‘ eingebracht. Jedenfalls gibt es jetzt ein Innovationsprojekt dazu. Was heutzutage schon als Innovation zählt, war vor 10 Jahren noch Eigeninitiative.
Das Feuerwerk an Innovationen, dass da gerade gezündet wird, ist beeindruckend. Zu den eigentlichen Problemen dringt der Artikel nicht vor. Die Verhinderung von Neuem, Innovativen und Kreativen ist oft reine Machtdemonstration. Das eigentliche Problem ist also nicht, dass Querdenker mehr Platz brauchen sondern mehr Macht!